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Philologenverband beklagt "Notenfarce" bei vielen Diplom- und Magisterprüfungen / Maßnahmenkatalog zur Gegensteuerung vorgelegt

Geschrieben am 26-01-2007

Berlin (ots) - Den Verzicht auf fast jegliche Differenzierung bei
der Notenvergabe bei Diplom- und Magisterprüfungen in zahlreichen
Fächern an deutschen Universitäten hat der Vorsitzende des Deutschen
Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, erneut heftig kritisiert.

Nach den bisher vorliegenden Informationen zur Notenvergabe an
einzelnen deutschen Universitäten wird allgemein erwartet, dass die
demnächst vorliegende Folgestudie des Deutschen Wissenschaftsrats den
weiter anhaltenden Trend zu Spitzennoten, den die Erststudie von 2003
offenlegte, bestätigen wird. Damals lauteten die bundesdeutschen
Durchschnittsnoten für Diplomprüfungen in Biologie 1,3, in Physik,
Psychologie und Mathematik 1,4 und in Chemie 1,5. Aber auch bei
Magisterprüfungen in den Geisteswissenschaften sah es nicht besser
aus: 1,6 in Geschichte und 1,7 in Germanistik.

"Während in der Folge von PISA an deutschen Schulen durch
Bildungsstandards und Zentralprüfungen wieder mehr Vergleichbarkeit,
Differenzierung und echte Orientierung an Leistungsmaßstäben
angestrebt und umgesetzt wird, verfallen die Notenmaßstäbe an
deutschen Universitäten immer mehr. Sollte nicht wie in anderen
Ländern gegengesteuert werden, werden nicht nur die deutschen
Hochschulabschlüsse international weiter entwertet, sondern es nimmt
auch ein Kernanliegen der Universität selbst Schaden, die Achtung vor
der wissenschaftlichen Leistung", betonte der
DPhV-Verbandsvorsitzende.

Bei Staatsexamensprüfungen (noch) differenzierte Bewertungen

Allerdings wies Meidinger darauf hin, dass nicht jede deutsche
Universität dieser Bestnoteninflation in gleicher Weise erlegen sei.
Auch hätten sich die Staatsexamensprüfungen in Jura, Medizin und den
Lehrämtern diesem Trend bisher weitgehend entziehen können. Er
befürchte aber angesichts der anstehenden Umstellung von
Staatsprüfungen auf Bachelor und Master und damit auf
universitätseigene Prüfungen, dass auch hier der Trend zur
"generellen Eins" gehen könne.

Vielfältiges Ursachenbündel - Leistungsstärkere werden zu den
Verlierern zählen!

Über die genauen Ursachen dieses Verfalls der Notenmaßstäbe gebe
es bislang nur Vermutungen, so der DPhV-Vorsitzende. Neben der
Tatsache, dass aufgrund der personellen Überlastung der Universitäten
vielfach Abschlussprüfungen lediglich pauschal "abgezeichnet" würden,
verhindere an manchen Universitäten auch die persönliche Vertrautheit
von Professoren und Diplomanden ein Ausschöpfen der Notenskala.
Meidinger wies zudem darauf hin, dass es einen Zusammenhang zwischen
der Beurteilung von Lehrveranstaltungen durch Studenten und der
Bestnoteninflation gebe. Er sagte wörtlich: "Der Eindruck, dass es
hier häufig zu einem internen Arrangement nach der Devise 'Keiner tut
dem anderen weh' kommt, ist nicht von der Hand zu weisen." Auch wenn
sich Studenten über durchgängige Spitzenexamensnoten natürlich nicht
beschweren dürften, werden die Einserdiplomanden nach Ansicht des
DPhV-Chefs mittel- und langfristig zu den Verlierern zählen: "Der
zunehmende Verzicht auf Leistungsdifferenzierungen ist nicht nur
sachlich unhaltbar, er ist letztlich auch ungerecht und
diskriminierend. Wenn nämlich bei den meisten Hochschulabsolventen
eine Eins auf dem Abschlusszeugnis steht, werden die künftigen
Arbeitgeber und Abnehmer in der Wirtschaft und beim Staat stärker auf
andere Einstellungskriterien setzen, wie z.B. Herkunft, Geschlecht
oder Beziehungen, da aus den Noten nicht mehr hervorgeht, was
wirklich geleistet wurde. Das benachteiligt vor allem die
Leistungsstärkeren und steht den deutschen Universitäten, die sich
auf den Weg zur internationalen Spitze gemacht haben, schlecht zu
Gesicht."

Vorschläge zur Wiedergewinnung von Leistungsmaßstäben

Der Deutsche Philologenverband fordert deshalb die
Hochschulrektorenkonferenz und die deutschen Universitäten zu einer
ganzen Reihe von Gegensteuerungsmaßnahmen auf:

1. Mehr Transparenz bei Hochschulprüfungen durch Veröffentlichung
von Durchschnittsnoten und einen Vermerk auf dem Abschlusszeugnis, ob
der Absolvent zu den besten 15 oder 30 Prozent des Prüfungsjahrgangs
gehörte;

2. Bewusste Ausschöpfung des gesamten Notenspektrums, gefördert
etwa durch die Vorschrift, dass maximal 15 Prozent der Arbeiten die
Bestnote erhalten dürfen;

3. Vorrang von schriftlichen vor oft individuell abgesprochenen
mündlichen Prüfungen;

4. Bei Kollegialprüfungen durchgängig "verdeckte Zweitprüfungen",
d.h. ohne Kenntnis der Notenvergabe des Erstprüfers;

5. Universitätsinterne und bundesweite Verständigung der
Fakultäten auf weitgehend einheitliche Prüfungs- und
Leistungsstandards;

6. Stichprobenartige Überprüfung von Examensarbeiten durch
evaluierende Institutionen mit Rückmeldung an Prüfer und
Veröffentlichung der Auffälligkeiten.

Meidinger äußerte die Hoffnung, dass die in der Folge des
Bolognaprozesses beschlossene Einführung des ECTS (European Credit
Transfer System) eine wirksame Standardisierung von
Prüfungsleistungen fördern und forcieren kann. Das ECTS sieht unter
anderem die Kontingentierung von Noten vor. Allerdings, so der
DPhV-Vorsitzende, werde aus vielen deutschen Universitäten berichtet,
dass zahlreiche Professoren die Einführung des ECTS bislang ungerührt
boykottierten.

Originaltext: Deutscher Philologenverband
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=57564
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_57564.rss2

Kontakt:
DPhV - Deutscher Philologenverband
Eva Hertzfeldt
Pressesprecherin
Telefon: 030 - 40 81 67 89
Mobil: 0172 - 305 08 67
EMail: presse@dphv.de


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