LVZ: Ein Wunder
Geschrieben am 04-02-2007 |
Leipzig (ots) - von Winfried Wächter So manche Zeitgenossen registrierten erst in den letzten Tagen die Handball-Weltmeisterschaft. Einige haben sich möglicherweise daran erinnert, dass es sich dabei um eine Sportart handelt, in der die Deutschen auch schon in früheren Jahren recht erfolgreich waren, wussten vom WM-Triumph der Bundesrepublik 1978 und vom Olympiasieg der DDR zwei Jahre später. Gestern, als in Köln das Endspiel gegen Polen gewonnen wurde, hatte der Handball das ganze Land erreicht. Nicht mehr plötzlich, weil schon in der Woche zuvor die deutsche Mannschaft dramatische Spiele geliefert hatte. Viel Spannung und ein positiver Ausgang haben bei der öffentlichen Wahrnehmung noch jedem Sport geholfen - die Biathleten profitierten zuletzt und erlebten einen enormen Aufschwung. Dennoch war dieser regelrechte Handball-Boom keineswegs zu erwarten, schon gar nicht zu Beginn des Turniers, als nach den ersten Spielen kaum Aussicht auf einen späteren deutschen Siegeszug bestand. So, wie sich die Mannschaft steigerte, so wuchs auch das Interesse außerhalb der Hallen. Ob es bestehen bleibt, ob nun gar ein Siegeszug des Handballs einsetzt, wird sich zeigen. Es besteht eher Grund zur Skepsis und zur Befürchtung, der Rausch könnte ohne nennenswerte Nachhaltigkeit verfliegen. Der DHB ist bereits der weltweit größte Handball-Dachverband, einer der bedeutendsten deutschen Verbände mit über 800 000 Mitgliedern in fast 6000 Vereinen überhaupt und repräsentiert also wahrlich keine Randsportart. Die Bundesliga gilt als stärkste Liga der Welt und hat viel zum höheren Stellenwert des Handballs beigetragen, indem sie sich mehr und mehr in größeren Städten etabliert hat und die Mannschaften in Hallen mit 10 000 Zuschauern spielen. Die Etats der größten Vereine dienen allerdings im Wesentlichen dazu, in ausländische Akteure zu investieren. Zahlreiche deutsche Nationalspieler sind somit oft nur zweite Wahl und kamen demzufolge teilweise ohne die wichtige Wettkampfpraxis zur WM. Bundestrainer Heiner Brand, gestern in Köln euphorisch gefeiert, hat seit Jahren auf dieses Dilemma hingewiesen und eine Diskussion darüber gefordert, zumindest zwei oder auch vier deutsche Spieler im 14er Kader festzuschreiben. Die Liga erteilte ihm eine Abfuhr. So grenzt es fast an ein Wunder, dass seine Mannschaft gestern den größten Erfolg für den deutschen Handball seit fast 30 Jahren errang. Jetzt selbstgefällig anzunehmen, mit dem Triumph im Rücken werde sich alles von selbst klären, wird sich schnell als Trugschluss erweisen. Heute, da die deutschen Fahnen eingepackt werden, zieht wieder Alltag ein. Der war bislang nicht dazu angetan, der deutschen Nationalmannschaft beste Voraussetzungen für die Weltmeisterschaft im eigenen Land zu schaffen. Ihr Erfolg ist daher alles andere als selbstverständlich sondern eher eine riesige Überraschung. Auch deshalb werden die 07er nach den 78ern und 80ern in die deutsche Sportgeschichte eingehen.
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