LVZ: Hemmungslos
Geschrieben am 26-02-2007 |
Leipzig (ots) - von Armin Görtz Analysen spenden keinen Trost. Sie können den Schmerz von Mitjas Eltern nicht lindern, ändern nichts am Entsetzen seiner Mitschüler und Lehrer, am Zorn der Menschen in Leipzig und weit darüber hinaus. Der Mord an dem Jungen weckt in der Öffentlichkeit breites Mitgefühl. Die Wut auf den Täter vermischt sich mit der Sorge, dass er erneut töten könnte. Doch auf die derzeitigen Emotionen muss die nüchterne Analyse folgen. Justiz und Polizei stehen nach einem solchen Verbrechen vor der Frage, ob sie genug tun, um Kinder zu schützen. In diesem Fall droht eine äußerst bittere Antwort. Es zeichnet sich bereits ab, dass es möglich gewesen wäre, die Tat zu verhindern. Mitja würde wahrscheinlich noch leben, wenn der Rechtsstaat entschlossener auf die anhaltende Gefahr reagiert hätte, die von Triebverbrechern ausgeht. Einerseits werden rund 80 Prozent der Sexualstraftäter nicht rückfällig - Forderungen, sie alle bis ans Lebensende vorsorglich wegzusperren, wären somit überzogen. Andererseits hat sich bei Mitjas späterem Mörder über Jahre abgezeichnet, dass er zu einer wachsenden Bedrohung wurde. Und der Rechtsstaat schaute zu. Nach derzeitiger Gesetzeslage werden von den Gerichten weit zurückliegende Straftaten bei der Entscheidung, ob ein Wiederholungstäter in Sicherungsverwahrung kommt, nicht berücksichtigt. Bei Sexualdelikten ist diese Form der Verjährung jedoch völlig unangemessen. In Uwe Kolbigs krimineller Biografie wurde der Anstieg seiner Hemmungslosigkeit sichtbar. Dennoch kam er wegen der großen zeitlichen Lücken zwischen den Verurteilungen nach Verbüßung seiner jüngsten Haftstrafe wieder auf freien Fuß. Immerhin wurde er vom Gericht unter Führungsaufsicht gestellt. Diese Kontrolle von stark rückfallgefähr-deten Tätern durch Justizmitarbeiter hat auf die Kriminellen eine - jeden-falls im günstigsten Fall - abschreckende Wirkung. Seit Jahren ist geplant, dieses rechtliche Instrument zu verschärfen. Doch im Gesetzesgetriebe steckt die Angelegenheit fest. Geradezu widersinnig ist es bei dauerhaft gefährlichen Triebtätern, dass die Führungsaufsicht bislang auf fünf Jahre begrenzt ist. So konnte sich Kolbig seit 2005 unbeobachtet fühlen. Zudem zeigt der Fall, dass zwischen überzogenen Warnungen der Datenschützer vor staatlicher Überwachung des Bürgers und der eher dürftigen polizeilichen Realität eine Lücke klafft. Die Kripo hatte Kolbig zwar als vorbestraften Sex-Täter im Computer, aber die Angaben über ihn waren keineswegs vollständig. Das Gerichtsarchiv, das tiefere Einblicke ermöglicht hätte, blieb am Wochenende verschlossen. Eines dagegen hat sich auch in diesem Fall bewährt: die von so vielen Zeitgenossen verteufelte Videoüberwachung. Hätte es die Bilder aus einer Leipziger Straßenbahn nicht gegeben, würde die Polizei vermutlich noch immer nach Mitja suchen.
Originaltext: Leipziger Volkszeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2
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