Kürzung der Pendlerpauschale verfassungswidrig?
Geschrieben am 02-03-2007 |
Darmstadt (ots) - Der Lohn- und Einkommensteuer Hilfe-Ring Deutschland e.V. erstreitet erstes Urteil zugunsten der Arbeitnehmer.
Das Niedersächsische Finanzgericht hält die Kürzung der Pendlerpauschale ab dem Jahr 2007 für verfassungswidrig. Mit Vorlagebeschluss vom 27.02.2007 - Az. 8 K 549/06 - hat es dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe den Rechtsstreit jetzt zur Entscheidung vorgelegt.
Mit dem Steueränderungsgesetz 2007 verfolgt der Gesetzgeber das Ziel der Einführung des so genannten Werkstorprinzips. Danach sind Fahrten zum Arbeitsplatz der Privatsphäre zugeordnet. Die Arbeitssphäre beginnt erst mit Betreten des Arbeitsplatzes. Aufwendungen für Fahrten zum Arbeitsplatz sind folglich keine Werbungskosten mehr. Lediglich in Härtefällen können diese Aufwendungen ab dem 21. Kilometer wie Werbungskosten abgezogen werden.
Diese gesetzliche Neuregelung ist nach Auffassung des Lohn- und Einkommensteuer Hilfe-Ring Deutschland e.V. verfassungswidrig, weil sie gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstößt. Deshalb klagte er für seine Mitglieder vor dem Finanzgericht in Niedersachsen und wurde jetzt mit dieser Auffassung bestätigt.
Gegenstand des entschiedenen Verfahrens ist die teilweise Ablehnung des Antrags auf Lohnsteuerermäßigung berufstätiger Eheleute. Jeder von ihnen pendelt in entgegen gesetzter Richtung 41 km bzw. 54 km zur Arbeit. Sie beantragten daher die Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte 2007 unter Berücksichtigung der gesamten Entfernung. Das Finanzamt gewährte nur einen gekürzten Freibetrag und ließ sowohl bei der Ehefrau, als auch beim Ehemann die Fahrtkosten für die ersten 20 km unberücksichtigt.
Die Kürzung der Aufwendungen für Fahrtkosten, so die Niedersächsischen Finanzrichter, verstoße gegen das im Einkommensteuerrecht geltende Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und der gerechten Lastenverteilung. Der Gesetzgeber habe bei Ausgestaltung der Steuergesetze zwar einen weiten Entscheidungsspielraum, diesen habe er aber mit der beabsichtigten Einführung des Werkstorprinzips und Kürzung der Pendlerpauschale überschritten.
Bei den Aufwendungen für Fahrten zum Arbeitsplatz handele es sich nicht um freie, sondern um zwangsläufige Aufwendungen, ohne die Arbeitnehmer kein Einkommen erzielen könnten. Es sei nicht anzunehmen, dass alle Arbeitnehmer am Wohnort Beschäftigung finden. Besteuert werden dürfe aber lediglich das Einkommen, das nach Abzug der beruflichen Aufwendungen verbleibt. Nur dann sei die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die Steuerfreistellung des Existenzminimums des einzelnen Arbeitnehmers und seiner unterhaltsberechtigten Familie hinreichend beachtet. Der Fahrtkostenaufwand müsse sich daher Steuer mindernd auswirken.
Zugleich habe der Gesetzgeber, so die Richter weiter, im vorliegenden Verfahren in die freie Entscheidung von Ehegatten über ihre getroffene Aufgabenverteilung eingegriffen, schließlich entstünde in einer Doppelverdienerehe zwangsläufig Fahrtaufwand. Die gesetzliche Neuregelung verstoße gegen den sich aus Art. 6 GG ergebenden Schutz von Ehe und Familie. Der Steuergesetzgeber dürfe auf Eheleute, wie im entschiedenen Fall, bei der Wahl des Wohnorts bzw. Arbeitsort keinen so maßgeblichen Einfluss ausüben.
Diese Ungleichbehandlung sah das Gericht auch nicht durch besondere Gründe gerechtfertigt. Jedenfalls reiche die gegebene Begründung des Gesetzgebers nicht aus. Stattdessen hoben die Richter hervor, dass für den Gesetzgeber fiskalische Gründe im Vordergrund standen. Mit der Einsparung von ca. 2,5 Mrd. Euro bei 15 Millionen Pendlern, könnten diese Einschnitte aber sachlich nicht begründet werden.
Nun hat das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort.
Über Uns:
Der Vorlagebeschluss wurde vom Lohn- und Einkommensteuer Hilfe Ring Deutschland e.V. (LHRD) mit Sitz in Darmstadt erstritten. Der LHRD wurde vor über 35 Jahren gegründet und ist mit derzeit über 1.000 Beratungsstellen bundesweit Deutschlands drittgrößter Lohnsteuerhilfeverein. Er ist eine Selbsthilfeorganisation für Arbeitnehmer, Pensionäre und Rentner mit gegenwärtig ca. 180.000 Mitgliedern und erbringt steuerliche Hilfeleistungen auf der Basis einer Vereinsmitgliedschaft zu sozial gestaffelten Mitgliedsbeiträgen. Weitere Informationen über den LHRD finden Sie im Internet unter www.LHRD.de.
Originaltext: Lohn- und Einkommensteuer Hilfe-Ring Deutschland e.V. Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=65486 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_65486.rss2
Für Einzelheiten und Hintergründe zu dieser Presseerklärung stehen Ihnen der Leiter der Steuerfachabteilung, Herr Rudolf Gramlich, Tel.: 06281/556610, ab Montag, 05.03.2007, Tel.: 06151/978450, sowie der Vorstand Herr Christian Munzel, Tel.: 06151/978411 oder 0157/72532003, zur Verfügung. Gerne sprechen wir auch über andere steuerfachliche bzw. -politische Themen mit Ihnen.
Lohn- und Einkommensteuer Hilfe-Ring Deutschland e.V. - Vorstand - Alsfelder Straße 10, 64289 Darmstadt, Tel. 06151/9784-10, Fax: 06151/9784-17, munzel@lhrd.de.
V.i.S.d.P. Christian Munzel, Vorstand des Lohn- und Einkommensteuer Hilfe-Ring Deutschland e.V., Alsfelder Straße 10, 64289 Darmstadt
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