LVZ: Die Leipziger Volkszeitung zu Klima/Koalition -
Geschrieben am 26-04-2007 |
Leipzig (ots) - Von Thilo Boss. Eines muss man Umweltminister Sigmar Gabriel schon lassen: Der Mann hat ein Gespür für Themen. Als er sein Amt antrat, überwogen noch die Zweifler, ob er überhaupt das Format habe, um in die Fußstapfen von Jürgen Trittin treten zu können. Weil Gabriel eine verlorene Landtagswahl hinter sich hatte und bis dato gleich Gerhard Schröder eher als Auto-Mann denn als Naturschützer aufgefallen war. Gut eineinhalb Jahre und eine UN-Brand-Studie über den Klimawandel später hat der rote Bundesumweltminister seinen grünen Vorgänger längst vergessen gemacht und zählt obendrein zu den medialen Lichtgestalten seiner Partei im ersten Kabinett Merkel. Hut ab. Kommt im Prinzip aber nicht überraschend. Denn dass es im Vergleich zu seiner Zeit in Hannover besser klappt, als er mit seinen unausgegorenen eigenen Entwürfen regelmäßig sein Kabinett düpierte, dafür sorgt jetzt ein Mann, der Kampagnenerfahrung hat: Matthias Machnig, erfolgreicher Wahlkampfmanager für die SPD und früher Intimus von Franz Müntefering. Er setzt Gabriel geschickt in Szene. Als ein Kandidat, der gegen Angela Merkel bei den nächsten Bundestagswahlen antreten könnte. Bislang hat das gut funktioniert. Gabriel ist zurzeit in der Tat unter den Genossen der Star. Während sich Finanzminister Peer Steinbrück an der Unternehmenssteuerreform abarbeitet, Arbeitsminister Franz Müntefering sich beim Mindestlohn eine Beule nach der anderen holt und Parteichef Kurt Beck als pfälzisches Leichtgewicht verspottet wird, der für die schlechten Umfragewerte der SPD verantwortlich ist, glänzt der Mann aus dem Harz, indem er Akzente setzt. Neben planstabsmäßigem Vorgehen gehört dazu Instinkt - und natürlich ein wenig Glück. Henry Kissinger hat mal über Helmut Schmidt gesagt, er habe das Pech gehabt, dass in seiner Amtszeit keine großen weltpolitischen Entscheidungen anstanden. Bei Gabriel ist das Gegenteil der Fall: Seine Themen haben Konjunktur. Weltkonjunktur. Seit die Uno den Weltklimabericht vorgelegt hat, wird die Kohlendioxid-Debatte von Canberra bis Berlin geführt. Dass ein deutscher Umweltminister da mitmischt, liegt auf der Hand. Ja, ist zwingend notwendig. Nur darf sich sein Engagement nicht auf Deutschland beschränken. Klima ist nämlich global, Klimapolitik muss es auch sein. Nationale Alleingänge bringen deshalb herzlich wenig. Und kosten zudem noch. Was allein das Beispiel erneuerbare Energien zeigt. In seinem Plan, nach dem der CO2-Ausstoß bundesweit bis 2020 um 40 Prozent sinken soll, will der Umweltminister deren Anteil auf 27 Prozent steigern, obwohl Strom aus Wind und Sonne wesentlich teurer als der aus konventionellen Kraftwerken ist. Die Rechnung dafür zahlen Bürger und Unternehmer. Schon heute werden jährlich Milliarden in die Subventionen dieser Energieträger gepumpt. Das schöpft Kaufkraft und schmälert Gewinne. Doch es wird alles nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Das gilt auch für Gabriels Plan. Denn der ist zwar gut zu vermarkten, aber keineswegs durchzusetzen. Macht aber nix, hängenbleiben wird, dass Gabriel eine Vorreiterfunktion übernimmt. Damit dürfte ein Ziel seines Vorstoßes geschafft sein: Mediale Präsenz.
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