Rundfunkgebühr vor dem Bundesverfassungsgericht: VDZ warnt vor Freibrief für Online-Angebote von ARD und ZDF
Geschrieben am 27-04-2007 |
Berlin (ots) -
Begrenzung öffentlich-rechtlicher Internet-Medien auf programmbegleitende Randnutzung ist Kernelement freier Medienordnung - Einstellung des EU-Beihilfeverfahrens dafür ohne Bedeutung
Am 2. Mai verhandelt das Bundesverfassungsgericht über die Klage von ARD, ZDF und Deutschlandradio, die letzte Erhöhung der Rundfunkgebühr sei in verfassungswidriger Weise zu gering ausgefallen. Die Zeitschriftenverleger befürchten, dass das Verfassungsgericht quasi beiläufig die für eine freie Medienordnung essenzielle Beschränkung des öffentlich-rechtlichen Sektors auf Rundfunkprogramme aufgeben könnte. Diese Sorge wird dadurch verstärkt, dass sich der für das Verfahren als Berichterstatter zuständige Verfassungsrichter Hoffmann-Riem bereits 2006 für eine Ausdehnung von ARD und ZDF im Internet ausgesprochen hat (FOCUS v. 23.4.2007).
"Wenn das Verfassungsgericht dem mit staatlicher Finanzgarantie agierenden öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Expansion in den bislang freien Meinungsmarkt journalistisch-redaktioneller Internetmedien gestattet, bedeutet das eine untragbare Verzerrung des publizistischen Wettbewerbs", sagte Christoph Fiedler, Leiter Medienpolitik im VDZ. "Diese Ausdehnung käme im Zuge der Digitalisierung einer öffentlich-rechtlichen Aneignung aller Medien unter Einschluss der Presse gleich. Angesichts der nie da gewesenen außenpluralen Informations- und Meinungsvielfalt der Online-Medien fehlt im Internet jegliche Legitimation für das binnenplurale Konzept einer durch Zwangsabgaben der Bürger finanzierten öffentlich-rechtlichen Grundversorgung. Der damit verbundene Eingriff in die freie Meinungsbildung würde im Gegenteil sogar die Meinungs- und Medienvielfalt online gefährden. Denn wesentlichen Anteil an dieser Vielfalt hat die Presse, die sich allmählich zu den Online-Medien verlagern muss, dort aber im fragilen Prozess der Etablierung nachhaltiger Geschäftsmodelle durch staatlich finanzierte Konkurrenz in ihrem Bestand getroffen werden kann."
Noch ist die Freiheit der neuen Internet-Medien von elektronischer Presse bis hin zu audiovisuellen Abrufmedien gegen die staatlich organisierte und finanzierte Verzerrung des publizistischen Wettbewerbs gesetzlich geschützt. ARD und ZDF dürfen nach den Staatsverträgen Presse und Telemedien (Internet-Presse, audiovisuelle Abrufmedien) lediglich "programmbegleitend" und nur mit "programmbezogenem" Inhalt anbieten. Werbung sowie Sponsoring ist ihnen online verboten. Den maßgeblichen Grundsatz hat das Bundesverfassungsgericht für die Presse anerkannt: Öffentlich-rechtliche Presse darf es nur "als lediglich unterstützende Randbetätigung" von ARD und ZDF geben. Jede "pressemäßige Berichterstattung", die also mit der privaten Presse in echte publizistische Konkurrenz tritt, ist untersagt.
Dieser Schutz der neuen Internet-Medien gegen öffentlich-rechtliche Medien steht wie der entsprechende Schutz der Pressefreiheit nicht zur Disposition. Beide Medienfreiheiten sind bürgerliche Freiheiten, keine Staatsaufgabe. Presseunternehmen müssen sich - in den Worten des Spiegel-Urteils - im gesellschaftlichen Raum in privatrechtlicher Organisation und nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen frei bilden können. Pressefreiheit ist publizistische UND wirtschaftliche Freiheit; die Presse steht untereinander in geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz. Es ist also nicht nur staatliche Überwachung ausgeschlossen. Auch der weniger sichtbare Eingriff einer öffentlich-rechtlichen, durch Gesetze (staatsfern) organisierten und finanzierten Presse ist verboten. Medien, die sich in der Gesellschaft frei bilden sollen, müssen im wirtschaftlichen und publizistischen Wettbewerb ohne staatlich finanzierte und organisierte Verzerrungen agieren können. Diese verfassungs-rechtlichen Grundsätze außenpluraler Bürgerfreiheit gelten selbstverständlich auch für die jedermann zur Verfügung stehende Freiheit, Texte, stehende Bilder und Videos über das Internet zu veröffentlichen. Die duale Rundfunkordnung legitimiert keine duale Medienordnung.
Das im EU-Beihilfestreit über die Europarechtswidrigkeit der Rundfunkgebühr ausgehandelte Verfahren zur Prüfung öffentlich-rechtlicher Online-Angebote kann und will die nationalen medienrechtlichen Schranken gegen eine mediale Expansion von ARD und ZDF keinesfalls außer Kraft setzen. Wenn nun dennoch zu lesen ist, "im Gegenzug" zu einem Prüfverfahren für öffentlich-rechtliche Angebote seien alle journalistisch-redaktionellen öffentlich-rechtlichen Angebote online erlaubt, ist das rechtlich nicht haltbar. Das EU-Beihilferecht kann und will ARD und ZDF nichts erlauben, was Grundgesetz und Rundfunkgesetze verbieten. Das im Beihilfestreit geplante Prüfverfahren kommt demnach zu den essenziellen medialen Grenzen öffentlich-rechtlicher Rundfunktätigkeit hinzu; beide Filter müssen kumulativ passiert werden.
Weitere Hintergrundinformationen:
Die beschriebenen Grenzen öffentlich-rechtlicher Internet-Medien lassen sich verfassungsrechtlich wie folgt systematisieren:
1. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist ein - im Gegensatz zu den Grundsätzen jeder echten Presse-, Meinungs- und Medienfreiheit - staatlich überformter und normativ organisierter wie finanzierter Medienbereich. Er ist als solcher in einer freien Gesellschaft immer nur die zweitbeste Lösung und bedarf als Sonderfall staatlicher Medienausgestaltung und staatlichen Eingriffs in die freie gesellschaftliche Meinungsbildung der Rechtfertigung. Diese Rechtfertigung ist für alle neuen Medienangebote im zugangsoffenen Internet ebenso wenig gegeben wie für die zugangsoffene und außenplurale Presse auf Papier. Insbesondere wenn man die frei entstandene, noch nie da gewesene außenplurale Vielfalt der neuen Internet-Medien sieht, erscheint das Begehren von ARD und ZDF nach öffentlich-rechtlicher Expansion in diesen Sektor unbegründet. Selbst wenn die Legitimation des öffentlich-rechtlichen Sonderkonstrukts für Rundfunkprogramme trotz zunehmender Außenpluralität erhalten bleibt, lässt sie sich doch jedenfalls nicht medial ausdehnen.
2. Eine insgesamt, unter Einschluss aller Medien freiheitliche Meinungsbildung setzt die mediale Begrenzung öffentlich-rechtlicher Medien voraus. Wird nur eines von vielen Medien und damit nur ein Segment der Meinungsbildung, d. h. der Rundfunk, durch staatliche Ausgestaltung und Garantie eines öffentlich-rechtlichen Pfeilers als duales System der wirklich freien, außenpluralen Meinungsbildung entzogen, ist das für das Gesamtmediensystem insgesamt noch erträglich. Die enge Begrenzung öffentlich-rechtlicher Medienorganisation auf einen abgegrenzten Teil der Medien, d. h. auf Rundfunkprogramme (Fernsehen- und Hörfunk), ist also notwendige Bedingung ihrer Rechtfertigung. Eine duale Rundfunkordnung ist erträglich oder erwünscht, eine duale Medienordnung würde keinerlei wirklich freies Mediensegment mehr übrig lassen.
3. Die Grundrechtsgarantie der freien Presse verlangt, dass der Staat auch bei der Regelung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks den Erhalt einer freien Presse berücksichtigt. Der Staat ist - unabhängig von subjektiven Berechtigungen Einzelner - verpflichtet, in seiner Rechtsordnung überall, wo Normen die Presse berühren, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen (Spiegel-Urteil). Wollten aber Gesetze dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die mediale Ausweitung hin zu elektronischer Presse und Neuen Medien erlauben, deren refinanzierbare Nutzung durch Zeitschriften und Zeitungen zunehmend zur Bedingung des Überlebens einer vitalen Presse wird, würden sie die Garantie des "Instituts" Freie Presse verletzen.
Ansprechpartner: Dr. Christoph Fiedler, Leiter Europa- und Medienpolitik, 030 72 62 98 120
Originaltext: VDZ Verband Deutscher Zeitschriftenverleger Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=8830 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_8830.rss2
Weitere Informationen: Norbert Rüdell Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Tel: +49 (30) 72 62 98-162 E-Mail: n.ruedell@vdz.de Internet: www.vdz.de
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