Rainald Goetz' Kritik in VANITY FAIR über die "Wallenstein"-Inszenierung von Peter Stein: "Stein ist zu starr, zu sehr auf sein knallhartes Konzept des Totalen fixiert."
Geschrieben am 16-05-2007 |
Berlin (ots) - Um an großes Theater anknüpfen zu können, "müsste ein neuer gegenwartstauglicher Bühnennaturalismus, eine aktuelle Charakterspielweise erst noch entwickelt werden. Aber dafür ist Stein zu starr, zu sehr auf sein knallhartes Konzept des Totalen fixiert. Und durch die gigantische Textmasse ist dafür natürlich auch gar keine Zeit", so Rainald Goetz. In der neuen Ausgabe von VANITY FAIR übt der Dichter scharfe Kritik am zweiten Mammutprojekt Peter Steins, einer "Wallenstein"-Inszenierung. Goetz weiter: "So kommt es, dass die hier angestrebte Spielweise des echten Gefühlsausdrucks dauernd in Gefahr ist, ins trottelige Geknattere, ins Knallchargenhafte von ganz billigem Stadttheater wegzukippen."
Nach dem "Faust" für die Expo 2000 inszeniert Stein derzeit in Berlin Schillers "Wallenstein" mit Klaus Maria Brandauer in der Hauptrolle. Am 19. Mai ist Premiere des zehnstündigen Theatermarathons in der Berliner Kindl-Brauerei Neukölln. Warum Stein den "Wallenstein" in einem Stück aufführen will, erklärt Alexander Fehling, der den Schiller-Helden Max Piccolomini spielt: "Steins These ist ja: Wir müssen das alles spielen, sonst versteht man es nicht."
Goetz sieht bei dem Stück Probleme, die die Komplett-Inszenierung Steins nicht berücksichtige: "Dem Wallenstein fehlt die Poesie. Was trotzdem theatral wirkungsvoll ist, müsste durch Betonung und Auswahl hervorgehoben werden. Das Prinzip der puren Addition von einzelnen sprachlich egal wie tiefschürfend erarbeiteten Szenen ist falsch."
Schließlich fällt der Dichter sein Urteil auch zur Person Peter Stein: "Vielleicht war er als junger Mann ein Intellektueller gewesen. Heute geht eher etwas bäurisch Handfestes von ihm aus, eine grummelig-herrscherliche Attitüde, eine körperlich spürbare Freude am Spiel um Dominanz. Erst müssen die Schauspieler gewonnen werden, dann die Kritiker bezwungen werden, zuletzt das Publikum erobert."
Trotz seiner Kritik prognostiziert Rainald Goetz der Wallenstein-Aufführung gute Besucherzahlen: "Die Leute werden hinpilgern, soll Stein vorhergesagt haben. Und wahrscheinlich geht sein Kalkül auf. Denn die Leute lieben das Event. "
Den ganzen Artikel von Rainald Goetz lesen Sie in der neuen Ausgabe von VANITY FAIR.
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