Südwest Presse: Kommentar zum Thema Koalition
Geschrieben am 12-06-2007 |
Ulm (ots) - Der Sommer hat nicht mal richtig begonnen - da ist das Theater schon da. Mit seinem Wort vom "in der Luft hängenden Neoliberalismus" der Union hat SPD-Parteichef Kurt Beck sogar den seit Monaten unauffällig im hessischen Bergland abgetauchten CDU-Vize Roland Koch auf den Plan gerufen und provoziert, vor dem raschen Ende der schwarz-roten Koalition zu warnen. Mal halblang. Diese Koalition hat zwar offenbar einen Großteil ihres Vorrates an gemeinsamer Gestaltungskraft schon zur Hälfte der Legislaturperiode verbraucht. Sie ist jedoch mit ausreichend Selbsterhaltungstrieb ausgestattet, um sich voraussichtlich bis zur regulären Neuwahl 2009 zu schleppen, sollten keine unabsehbaren Entwicklungen eintreten. CDU und CSU haben ohnehin keinen Anlass, ihre latente Abneigung gegen den roten Koalitionspartner zum Anlass zu nehmen, das Bündnis jetzt ernsthaft in Frage zu stellen. Dank einer außenpolitisch reüssierenden Kanzlerin und dank des eher den Christdemokraten zugerechneten wirtschaftlichen Aufschwungs im Inland sonnt sich die Union in der Meinungsgunst. Wer zündelt und streitet, hat diese Gunst schnell verspielt. Die über Jahrzehnte in der Rolle des Kanzlerwahlvereins geübten Christdemokraten haben diese Erkenntnis tiefer verinnerlicht als jede andere Partei. Bei der SPD dagegen und ihrem Vormann macht sich richtige Existenzangst breit. Unverkennbar nehmen die Sozialdemokraten in der Koalition jedenfalls in der öffentlichen Wahrnehmung eher die Rolle des Kellners ein - um Gerhard Schröders auf Rot-Grün gemünztes Bild von Koch und Kellner zu gebrauchen. Im Gegensatz zur Union, der von der Rechten derzeit ernsthaft kaum Konkurrenz droht, sieht sich die SPD außerdem einer neu formierten Linken gegenüber, die mit ihren programmatischen Wolkenkuckucksheimen um die Gunst eines guten Teils der Klientel der alten Arbeiterpartei buhlt. Wohl aus dieser Not wurde Becks verbaler Frontalangriff auf den schwarzen Bündnispartner geboren - doch er hat sich selbst ebenso wenig wie seiner Partei damit einen Gefallen getan. Becks persönliches Profil ist eher das des gemütlichen Pfälzers, Vertreter eines rebreichen und genussfreudigen Landstrichs also, als das des hageren Wirtschaftsrevoluzzers. Wer lange Jahre in Mainz mit der Brüderle-FDP regiert hat und Hartz-IV-Bezieher schon mal launig in der Öffentlichkeit vorführt, geht so schnell nicht durch als strammer Globalisierungsgegner und neuer Vorkämpfer des Prekariats, vulgo Unterschicht. Auch in der SPD hält sich die Freude über Becks Attacke in Grenzen. War es nicht SPD-Kanzler Schröder, der als Kanzler jenen nun beklagten "neoliberalen" Kurs einschlug, den die Union seitdem mitsamt der SPD recht und schlecht fortsetzt? Hat nicht auch Becks Parteifreund Sigmar Gabriel dem Klima-Kompromiss des G-8-Gipfels zugestimmt und damit letztlich auch dem Verzicht auf schärferes Vorgehen gegen das Gebaren der "Heuschrecken" auf dem internationalen Kapitalmarkt, der als Preis dafür geleistet wurde? Ist der zum SPD-Urgestein zählende Franz Müntefering ein "Marktliberaler", weil er die unpopuläre Rente mit 67 als Antwort auf die Alterung der Gesellschaft durchgesetzt hat? Kurt Beck hat mit seinem umfangreichen Aufsatz zum "sozialen Deutschland" mehr Fragen aufgeworfen, als Antworten gegeben. Auch die, ob er für seine Partei tatsächlich der richtige Kanzlerkandidat sein würde.
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