Günter Grass und Martin Walser im ZEIT-Gespräch: Wer ein Jahr jünger ist, hat keine Ahnung
Geschrieben am 13-06-2007 |
Hamburg (ots) - Auf Einladung der ZEIT trafen sich die beiden berühmtesten lebenden deutschen Schriftsteller zum Gespräch. Die beiden, die in diesem Jahr ihren 80. Geburtstag feiern, verbindet eine jahrzehntelange Freundschaft: "Ich liebe ihn", sagt Grass über Walser. "Du hast wirklich toll ausgesehen", sagt Walser über das erste Treffen 1955, "und das tust du auch heute noch."
Ausführlich sprechen die beiden Schriftsteller über das Leben und Arbeiten im Alter. "Es war noch nie so unerlaubt, älter zu werden als arbeitender Mensch, wie jetzt!", sagt Walser. "Und wenn ein Älterer liebt, ist es nicht Liebe, sondern ,Altersgeilheit'". Grass beschreibt die Schwierigkeiten beim Schreiben: "Das Papier ist nach wie vor erschreckend weiß ... Das Wagnis, in eine ungeordnete Stoffmasse so etwas wie eine erzählbare Ordnung hineinzubringen, ist für mich ein durch nichts zu ersetzendes Abenteuer." Am Anfang seiner Karriere habe er die "aberwitzige Befürchtung" gehabt, er müsse etwas zu Ende bringen, bevor er jung sterbe. "Das war keine Angst vorm Älterwerden, aber vorm Abkratzen, bevor das Buch fertig ist."
Hart ins Gericht gehen beide Autoren mit der Literaturkritikerin Elke Heidenreich, die jüngst die Arbeit der beiden als "ekelhafte Altmännerliteratur" bezeichnet und gesagt hatte, sie lese beide nicht mehr. "Das ist genial", sagt Walser. "Eine Literaturkritikerin, die als Päpstin bezeichnet wird, hat nichts mehr von uns gelesen und findet trotzdem, dass Grass und Walser seit Jahren nichts Gutes mehr geschrieben haben." Grass: "Das ist an Dummheit und Unverschämtheit nicht mehr zu übertreffen ... Nicht nur wir beide, sondern eine Vielzahl von Autoren sind von diesen Dummheiten betroffen. Wir beide können von unseren Büchern leben. Aber für andere sind solche Urteile absolut vernichtend."
Auch wenn beide Schriftsteller selten die gleichen politischen Ansichten hatten, sind sie sich einig in ihrer Kritik an den deutschen Medien. Grass erkennt in der deutschen Presse eine Freude am Niedermachen: "Sie haben doch als Journalisten eine Sorgfaltspflicht! Sie müssen doch prüfen, ob es zum Beispiel erlaubt ist, im Zusammenhang mit Berichten über meine wenigen Monate in der Waffen-SS Bilder von der Auslöschung des Warschauer Ghettos zu zeigen und so eine Verbindung herzustellen zwischen dem "SS-Mann Günter Grass" und diesen Verbrechen. Das ist doch grauenhaft! Im Ausland schüttelt man den Kopf darüber, wie man mit uns beiden hierzulande umgeht." Walser: "Wenn wir uns verhalten zu den Auswirkungen des Zeitgeists in den Medien, dann bleibt in den Medien übrig, dass wir uns über die Medien beklagen, als sei das eine Halskrankheit von uns."
Das komplette ZEIT-Interview der ZEIT Nr. 25 vom 14. Juni 2007 senden wir Ihnen gerne zu.
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