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Disziplinübergreifende Forschungsinitiative gefordert / Expertenstreit über Mediengewalt beim LMK MedienColloquium

Geschrieben am 14-06-2007

Ludwigshafen (ots) - Die Wirkung von "Gewalt in den Medien" ist
ein Streitthema. Unter Wissenschaftlern ist hierzu ein öffentlicher
Diskurs entbrannt. Unter dem Titel "Statt Wirkungsforschung
Forschungswirkung - Bestimmt die Perspektive das Ergebnis?" ging die
Landesanstalt für Medien und Kommunikation Rheinland Pfalz (LMK) dem
Expertenstreit in ihrem MedienColloquium jetzt auf den Grund.

Rund 100 Medienexperten waren der diesjährigen Einladung zum
renommierten LMK MedienColloquium nach Ludwigshafen gefolgt. Sie
erlebten eine leidenschaftlich geführte Diskussion von führenden
Vertretern verschiedener Wissenschaftsdisziplinen. Denn gerade in
öffentlichen Diskussionen gehen die Experten hart miteinander ins
Gericht, wenn es um die Frage nach der Wirkung von Gewalt in den
Medien geht. Sind die Medien zum Beispiel mitverantwortlich dafür,
dass die Brutalität auf den Schulhöfen immer mehr zunimmt? Darauf
gibt es keine eindeutig wissenschaftlich erwiesene Antwort.

"Wissenschaft hat eine Verantwortung für die Gesellschaft",
erklärte der LMK-Direktor Manfred Helmes in seiner Eröffnungsrede.
"Es muss im Interesse der Öffentlichkeit liegen, dass sich die
Medienpolitik und Medienregulierung bei ihren Entscheidungen auf
gesicherte Wirkungsforschungsergebnisse verlassen kann." Doch wer
entscheidet darüber, welche Wirkung Gewaltdarstellungen im Fernsehen
und Killerspiele im Computer auf unsere Kinder haben? Eine
Deutungshoheit einer einzelnen Forschungsdisziplin
(Kommunikationswissenschaften, Pädagogik, Medienpsychologie,
Kriminialistik) sei nicht erkennbar, sagte der
Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Hans-Bernd Brosius, Dekan der
Sozialwissenschaftlichen Fakultät an der
Ludwig-Maximilians-Universität München.

Neue Studie: Wirkungsforschungsergebnisse im Vergleich

Im Auftrag der LMK hatte Prof. Dr. Hans-Bernd Brosius gemeinsam
mit Katja Schwer, M.A. in einer umfassenden Studie die bedeutsamsten
neueren wissenschaftlichen Publikationen miteinander verglichen. Bei
ihrer Untersuchung, deren Ergebnisse vorgestellt wurden, stellte das
Forscherteam einen signifikanten Unterschied zwischen der rein
wissenschaftlich geführten Debatte und der Diskussion in der
Öffentlichkeit fest. "In ihren Forschungsergebnissen liegen die
Kommunikationswissenschaftler, Kriminologen, Pädagogen und
Medienpsychologen gar nicht so weit auseinander", so Prof. Brosius.
Ein offener Streit der Wissenschaftler tobt hingegen mitunter in
nicht-wissenschaftlichen Publikationen. Prof. Brosius: "Das sieht
teilweise schon arg inszeniert aus. Doch einzelne Kollegen verkaufen
sich in den Medien eben besser als andere. Provokante Thesen sorgen
per se für größere Aufmerksamkeit."

Auch bei der Diskussion beim LMK MedienColloquium nahmen die
Experten auf dem Panel kein Blatt vor den Mund. Während Prof. Prof.
Dr. Christian Pfeiffer, Direktor Kriminologisches Forschungsinstitut
Niedersachsen e.V. gewohnt pointiert die Medien in der Gewaltdebatte
in die Verantwortung zog, konterte der Medienpsychologe Prof. Dr.
Roland Mangold von der Universität Mannheim: "Ein
Medienkonservativismus, wie er etwa von Herrn Prof. Pfeiffer
vertreten wird, ist aus methodischen Gründen nicht haltbar. Komplexe
Fragen vertragen keine simplen Antworten." Dass die "Medien als
Sündenbock für gesellschaftliche Entwicklungen missbraucht" würden,
erklärte der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Lothar Mikos von
der Hochschule für Fernsehen und Film in Potsdam. Und der Pädagoge
Prof. Dr. Uwe Sander von der Universität Bielefeld betonte "die
sozialen Kontexte und interaktiven Mensch-Medien-Verhältnisse", die
bei der Medienwirkungsforschung in jedem Fall zu berücksichtigen
seien.

Von den Klimaforschern lernen: Bei Gefahr sollten Wissenschaftler
warnen

Doch was bringt der Richtungsstreit der Experten für die
Öffentlichkeit. Wissenschaftler sollten "ihre Rolle in der
Gesellschaft vielleicht generell überdenken", findet Prof. Brosius.
"Wir müssen deutlicher und differenzierter warnen, wenn wir etwas für
gefährlich halten. So wie es die Klimaforscher tun." In den
Sozialwissenschaften herrsche hierzulande große Zurückhaltung, die
eigenen Forschungsergebnisse wertend einzusetzen. Ganz anders in den
USA: Dort wurde eine große Initiative gestartet um Gewalt umfassend
zu untersuchen - mit Inhaltsanalysen, Rezeptions- und
Wirkungsstudien. Finanziert wird das umfassende Projekt zum großen
Teil von der Kabelindustrie. In diesem Punkt waren sich die
Wissenschaftler beim LMK MedienColloquium dann doch einig:
Fernsehanstalten, Computerspiele-Hersteller und Landesmedienanstalten
sollten sich zusammentun, um eine umfassende Studie in Auftrag zu
geben, bei der mehrere Beteiligte aus den verschiedenen
Forschungsrichtungen zusammenarbeiten. "Daher plädiere ich auch für
eine Bündelung der Kräfte der Landesmedienanstalten in
Forschungsfragen", betonte LMK-Direktor Manfred Helmes. "Künftig
sollten die wissenschaftlichen Aktivitäten unserer Häuser koordiniert
und zusammengeführt werden."

Das komplette Interview mit Prof. Dr. Hans-Bernd Brosius und die
Ergebnisse seiner aktuellen Studie unter www.lmk-online.de.

Originaltext: Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (LMK)
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=66947
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_66947.rss2

Für Rückfragen:
Dr. Joachim Kind, LMK-Pressesprecher
Telefon: 0621 - 5202-206, E-Mail: kind@lmk-online.de


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