Südwest Presse: Kommentar zum Thema Finanzpolitik
Geschrieben am 18-06-2007 |
Ulm (ots) - Geld macht begehrlich. Schlimmer noch: Jeder zusätzliche dieser vermeintlichen Geistesblitze zur Verwendung der endlich wieder kräftig sprudelnden Steuermilliarden senkt die Hemmschwelle. Vorläufiger Höhepunkt sind die 70 Milliarden Euro, mit denen Bundeswirtschaftsminister Michael Glos Wirtschaft und Bürger vor allem mit niedrigeren Steuern und Abgaben zu beglücken gedenkt. Nur gut, dass der Bundesfinanzminister auch für den gelernten Müllermeister von der CSU nicht viel mehr als die kalte Schulter übrig hat. Peer Steinbrück liegt richtig, wenn er sich nicht genau in dem Augenblick die Butter vom Brot nehmen lässt, in dem seine finanzpolitische Strategie für jedermann sichtbar aufgeht, die mit Investitionsanreizen die Binnenkonjunktur anschob, um dann mit der höheren Mehrwertsteuer sowie dem wachstumsbedingten zusätzlichen Steuersegen den dramatisch überschuldeten Bundeshaushalt zu sanieren. Auch wenn dem Berliner Kassenwart in den nächsten vier Jahren wohl deutlich mehr als die 87 Milliarden Euro an zusätzlichen Einnahmen zufließen werden, die die Steuerschätzer zuletzt prognostizierten, gibt es für Schwarz-Rot noch keinen Grund, den bislang größten Erfolg zu untergraben, den die große Koalition aufweisen kann. Ganz im Gegenteil: Gerade weil der Fiskus im Geld schwimmt, ist jetzt die Stunde der Konsolidierung. Zum Glück weiß das der gelernte Keynesianer Steinbrück ganz genau. Wenn es überhaupt eine realistische Chance zum Abbau der Mega-Schuldenlast in Deutschland gibt, dann in diesem Aufschwung. Die Steuermehreinnahmen sind komplett in den Schuldenabbau zu stecken. Und zwar so lange, bis der Etat des Bundes nicht nur ohne neue Schulden auskommt, sondern auch der mit mehr als 39 Milliarden Euro zweitgrößte Haushaltstitel "Schuldendienst" zumindest halbiert ist. Hier und nur hier schlummert der künftige Gestaltungsspielraum für die Politik im Bund. Weil der Aufschwung nicht ewig anhält, tut Steinbrück gut daran, bereits im kommenden Jahr ohne neue Schulden auszukommen. Erst dann hat die Finanzpolitik des Bundes eine realistische Aussicht, wieder auf eine dauerhaft tragfähige Basis zu kommen. Und die sieht nach den grundlegenden wirtschafts- und finanzpolitischen Zusammenhängen schlicht und einfach so aus: Der Etat muss bei einem Mini-Wachstum ohne neue Schulden in Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen sein. Dann kann der Kassenwart in Berlin einem Abschwung der Wirtschaft und dem damit verbundenen Einbruch des Steueraufkommens gelassen entgegensehen und die dann unvermeidlich wieder in die Höhe schießende Verschuldung hinnehmen. Ja, er hätte sogar die Chance, mit öffentlichen Investitionen den Abschwung etwas zu dämpfen. Im nächsten Aufschwung ließe sich das Haushaltsdefizit mit dem wieder steigenden Steueraufkommen tilgen. Setzt Steinbrück sich wirklich durch, kann er sich einen in der Geschichte der Republik einmaligen Erfolg ans Revers heften. Der Hamburger Sozi wäre dann in einem Atemzug zu nennen mit dem Christsozialen Fritz Schäffer, der in den fünfziger Jahren Haushaltsüberschüsse aufhäufte. Abgesehen davon: Steinbrück brächte sich so in die beste Ausgangsposition, wenn es gilt, den Genossen ausfindig zu machen, der beim Urnengang 2009 die besten Erfolgschancen gegenüber Kanzlerin Angela Merkel haben dürfte.
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