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LVZ: Zum Abgang des Leipziger Opernintendanten Henri Maier

Geschrieben am 19-06-2007

Leipzig (ots) - Scherbenhaufen
Von Peter Korfmacher
Am Wochenende noch war alles eitel Sonnenschein: Bachfest hier,
Masur-Gala da, und Leipzig sonnte sich in der Gewissheit, eine der
Welthauptstädte der Musik zu sein. Doch kaum ist die Prominenz
abgereist, ziehen wieder dicke Unwetterwolken auf: Denn die
Beurlaubung des Opernintendanten Henri Maier wird als
kulturpolitischer Scherbenhaufen in die Annalen der Stadt eingehen.
Und am Ende stehen alle als Verlierer da.
Zuerst natürlich Henri Maier. Der kann sich zwar freuen über ein
sattes Überbrückungsgeld bis zum Antritt der Rente imJahr 2011, aber
sein Ansehen ist irreparabel beschädigt. Dann das Opernhaus, das in
schwieriger Zeit und vor den für Leipzig so wichtigen großen
Jubiläumsjahren für Mendelssohn und Wagner (2009 und 2013) ohne
Intendanten und mit einem grundsätzlichenKlima der Verunsicherung
dasteht. Die Kultur der Stadt, die sich vor dem Hintergrund leerer
Kassen für drei Jahre mit der Zahlung von zwei Intendantengehältern
abfinden muss. Riccardo Chailly, der beizeiten Bedenken angemeldet
hat, bei der Verlängerung von Maiers Vertrag 2006 aber vom
Kulturbürgermeister Girardet übergangen wurde. Und somit schließlich
und vor allem der und mit ihm die Stadtspitze, die durch eben diese
Vertragsverlängerung all den Schaden angerichtet hat - aber auch
gestern noch nicht nach eigenen Problemen, nach Fehlern beim
Krisenmanagement suchte, sondern nach undichten Stellen. Die wieder
nicht informiert, sondern verschleiert, beschönigt, verschleppt und
sich überrascht zeigt, dass die Beurlaubung eines Opernintendanten
nicht achselzuckend als weitgehend normaler Tagesordnungspunkt
abgehakt wird.
Es gab und gibt Defizite in der Führung der Oper Leipzig: Die
überregionalen Erfolge sind begrenzt, die Personalpolitik ist
fragwürdig, das Ensemble wieder auf dem Abstieg, und bisweilen hat es
den Eindruck, als würde eine gewisse sympathische Folklore regieren,
wo Führungsstärke und Gestaltungswillen gefragt wären. Das alles aber
ist erstens nicht neu und wurde zweitens bis vor nicht allzu langer
Zeit gern auch von Seiten der Stadt mit umgekehrtem Vorzeichen
interpretiert: Das Vertrauen der Leipziger kehrte zurück, jetzt
sitzen endlich bald die richtigen Leute auf den richtigen Posten, die
Besten des Ensembles machen Weltkarriere, und die freundliche
Verbindlichkeit des Intendanten ist seine kommunikative Stärke.
Sie hat zwei Seiten, die Medaille. Und sie hatte beide Seiten auch
schon vor einem Jahr. Denn nichts hat sich grundsätzlich verändert
seither. Die Probleme wurden unterschiedlich bewertet. Aber sie waren
bekannt. Hätte man also seinerzeit Maiers Vertrag nicht verlängert,
es gäbe jetzt keinen Skandal. Dann hätte es wahrscheinlich
tatsächlich einen Tagesordnungspunkt gegeben, den die Öffentlichkeit
nach kurzer Erregung weitgehend achselzuckend zur Kenntnis genommen
hätte.
Diese Chance wurde vertan, weil keine Entscheidung immer bequemer ist
als eine, die sich im Nachhinein als falsch erweisen könnte. Aber
keine Entscheidung ist meistens auch die schlechteste. Was sich
einmal mehr gezeigt hat.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


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