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Westdeutsche Zeitung: Polen = von Alexander Marinos

Geschrieben am 21-06-2007

Düsseldorf (ots) - Die Polen wollen keine Leisetreter mehr sein.
Nach Jahrhunderten der Unterdrückung durch fremde Mächte und befreit
vom Joch des Kommunismus wollen sie gleichberechtigt im Club der
Europäer mitspielen und, wenn nötig, deutlich ihre Meinung sagen
dürfen. Das ist gewiss legitim. Wenn aber nicht neues
Selbstbewusstsein das Denken und Handeln bestimmt, sondern
unüberwundene Minderwertigkeitskomplexe, wenn Emotionen an die Stelle
von Souveränität treten, wenn offene Aggression jede Diplomatie
ersetzt, dann haben wir ein Problem - wir Europäer und besonders wir
Deutschen.
Nun könnte man einwenden, eine Regierung, die den "Teletubbies"
unterstellt, die Gesellschaft homosexuell zu unterwandern, müsse man
nicht ernst nehmen. Und die Forderung von Jaroslaw Kaczynski, die
polnischen Kriegstoten bei der EU-Stimmverteilung zu berücksichtigen,
sei nichts anderes als die Teletubbiisierung der Außenpolitik: bis an
die Schmerzgrenze gehend absurd. Das Lachen wird einem im Halse
steckenbleiben! In Europa kommt niemand an Polen vorbei, und in Polen
niemand an den Kaczynskis.
Angela Merkel steht darum auch vor einer fast unlösbaren Aufgabe: Sie
muss als EU-Ratspräsidentin moderierend auftreten, um den Gipfel zum
Erfolg zu führen; gleichzeitig steigt der Druck, sich als
Bundeskanzlerin irgendwie zu den Angriffen gegen Deutschland zu
verhalten. Wenn sie schlau ist - und alles spricht dafür, dass sie es
ist -, wird sie sich von den Polen nicht provozieren lassen und
schweigen.
Jeder Gipfel hat seine gruppendynamischen Prozesse. Wenn der Eindruck
nicht täuscht, dann werden die anderen Staats- und Regierungschefs
versuchen, die Kaczynskis auf Normalmaß zurechtzustutzen. Denn es
steht eine Menge auf dem Spiel.
An diesem Wochenende entscheidet sich, ob die EU der 27 als starker,
effizienter Machtfaktor in dieser Welt eine Zukunft hat - oder ob es
doch ein Europa der zwei Geschwindigkeiten geben muss. Sollte
letzteres der Fall sein, gehört unser Nachbar im Osten mit Sicherheit
nicht zu dem schnelleren "Kern-Europa". Spätestens dann wird auch die
Bundesregierung thematisieren müssen, ob die EU ihre Zahlungen an
Polen einschränken soll. Partnerschaft ist keine Einbahnstraße.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=62556
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Telefon: 0211/ 8382-2358
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