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WAZ: Atomdebatte: Explosives Gemisch - Leitartikel von Thomas Wels

Geschrieben am 29-06-2007

Essen (ots) - Ein Störfall ist ein Störfall, und wenn er eintritt,
dann zur Unzeit. Gleichwohl scheint in den Störfällen der
Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel der Genosse Zufall Regie
geführt zu haben: Just, als sich die Manager im Vorfeld des
Energiegipfels am Dienstag gegen die Klimapolitik der Bundesregierung
mächtig aufpumpen, müssen die beiden Atomkraftwerke vom Netz. Sigmar
Gabriel wäre nicht Sigmar Gabriel, würde er sich diese Gelegenheit
entgehen lassen. "Mit Krümmel und Brunsbüttel haben wir gerade wieder
erlebt, dass zwar deutsche Atomkraftwerke weltweit die sichersten
sind, nur gelegentlich brennt's und knallt's halt." Der trifft, wo's
weh tut.

Die Deutschen haben eine ordentliche Portion Grundskepsis
gegenüber der Atomenergie. Und die Frage, ob die Akw abzuschalten
sind oder ob ihnen eine Laufzeitverlängerung zu gewähren ist, hat
enormes Wahlkampf-Potenzial. Die SPD hat mit ihrem Nein ordentlich
Boden gut gemacht gegenüber den Grünen. Für die Sozialdemokraten ist
die Debatte über den Störfall ein Glücksfall. Sie können mit Fug
argumentieren, dass mit dieser Technologie die Zukunft nicht zu
gestalten ist; sie können mit Recht darauf verweisen, dass nur ein
apodiktisches Festhalten am Ausstieg den regenerativen Energien den
nötigen Schub gibt. Das eröffnet Deutschland die Chance, sich als
Exportweltmeister in einer enorm wichtigen Branche festzusetzen.
Zumal zur Wahrheit über Atomkraftwerke auch gehört, dass diese
keineswegs subventionsfrei sind. Die Versicherung übernimmt eine
Schadensdeckung von 250 Millionen Euro, die im Ernstfall ein Klacks
sind. Das Risiko trägt letztlich also der Staat.

Dennoch: Das Nein zur Verlängerung ist aus politischer Sicht
nachzuvollziehen, aus ökonomischer nicht. Deutschland wird ohne Akw
kaum sicherer, weil Frankreich oder England neue Kernkraftwerke
planen. Gewichtiger ist, dass die Politik mit einer Verlängerung der
Laufzeit Zeit gewönne für eine Umstellung auf umweltfreundliche
Energien ohne Verwerfungen in der Industriestruktur. Die Politik muss
nicht auf jede Drohung der Industrie hören. Regierungen sind gewählt,
um Rahmenbedingungen zu setzen. Beinhalten diese aber
widersprüchliche Signale wie die Einsparung von 40 Prozent
Kohlendioxid bei gleichzeitiger Beendigung von CO2-freier
Stromproduktion, ist Widerspruch legitim. Noch prallen die Interessen
aufeinander, dabei gibt es kluge Vorschläge, den Konflikt zu lösen.
Warum nicht die Hälfte der Erträge, die die Konzerne dank einer
Laufzeitverlängerung einnähmen, kassieren, um sie in die Erforschung
regenerativer Energien zu stecken?

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

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Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de


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