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Versäumte Chance Stellungnahme des Ratsvorsitzenden der EKD zur Veröffentlichung der römischen Kongregation für die Glaubenslehre

Geschrieben am 10-07-2007

Hannover (ots) - Der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang
Huber,
nimmt Stellung zu der Veröffentlichung der römischen Kongregation für
die Glaubenslehre "Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten
bezüglich der Lehre über die Kirche" vom 10. Juli 2007

1. "Der katholische Ökumenismus mag auf den ersten Blick paradox
erscheinen." So heißt es in dem amtlichen Kommentar zu den "Antworten
auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche",
die heute von der römischen Kongregation für die Glaubenslehre
veröffentlicht worden sind. Paradox ist der römisch-katholische
Ökumenismus nicht nur auf den ersten Blick; er ist es auf Dauer.
Daran ändert leider auch das neue Dokument nichts. Es will zwar
anerkennen, dass es auch außerhalb der römischen Kirche "echte
kirchliche Wirklichkeiten" gibt. Aber insbesondere den Kirchen der
Reformation verweigert es zugleich die Anerkennung als "Kirchen im
eigentlichen Sinn".

2. Neu ist das nicht. Die "Antworten" selbst verweisen
ausdrücklich auf die Erklärung "Dominus Iesus", die die Kongregation
für die Glaubenslehre unter ihrem damaligen Vorsitzenden Joseph
Kardinal Ratzinger im Jahr 2000 veröffentlicht hat. Der Stein des
Anstoßes in der Erklärung "Dominus Iesus" war insbesondere der Satz:
"Die kirchlichen Gemeinschaften ..., die den gültigen Episkopat und
die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen
Mysteriums nicht bewahrt haben, sind nicht Kirchen im eigentlichen
Sinn". Ökumenisch Gesonnene auf beiden Seiten waren bemüht, diese
Formulierung als missglückt und missverständlich, mithin als
Fahrlässigkeit zu entschuldigen. Der jetzt veröffentlichte Text der
Glaubenskongregation, der die Unterschrift des neuen Präfekten
William Kardinal Levada trägt, aber vom Papst ausdrücklich
"bestätigt" wurde, erweist sich jedoch als unveränderte Neuauflage
der anstößigen Aussagen von "Dominus Iesus". In vollem Bewusstsein
der innerkatholischen wie der ökumenischen Diskussion seit dem Jahr
2000 werden die damaligen Aussagen wiederholt. Von Fahrlässigkeit
kann niemand mehr sprechen; es handelt sich um Vorsatz.

3. Von vielen Seiten, auch von hoher Stelle in der römischen
Kurie, wurden in den vergangenen Jahren Vorschläge gemacht, um die
anstößige Ausdrucksweise zu überwinden, die reformatorischen Kirchen
seien "nicht Kirchen im eigentlichen Sinn". Es würde ja auch
vollständig reichen, wenn gesagt würde, die reformatorischen Kirchen
seien "nicht Kirchen in dem hier vorausgesetzten Sinn", oder sie
seien "Kirchen anderen Typs". Aber keine dieser Brücken wird in den
"Antworten" betreten. Insofern sind diese "Antworten" eine vertane
Chance. Die Einsicht, dass ökumenische Fortschritte wechselseitigen
Respekt für das Kirchesein des ökumenischen Partners voraussetzen,
bleibt unberücksichtigt. Es bleibt nur zu hoffen, dass die
ökumenische Sensibilität, von der die Beziehungen zwischen den
christlichen Kirchen in Deutschland weithin geprägt sind, sich
bewahren und weiterentwickeln lässt. Zuletzt wurde durch die
Unterzeichnung der Vereinbarung über die wechselseitige Anerkennung
der Taufe am 29. April 2007 für diese Art ökumenischer Sensibilität
ein wichtiges Zeichen gesetzt.

4. Die römischen "Antworten" jedoch lassen einen tieferen Sinn für
die Relativität des eigenen Standpunkts vermissen; dadurch wirken sie
ökumenisch brüskierend. Sie werfen erneut die Frage auf, worin nach
römisch-katholischem Verständnis das Ziel ökumenischer Verständigung
besteht. Die "Antworten" sehen dieses Ziel darin, dass die in der
römischen Kirche bereits gegenwärtige "Fülle der katholischen Kirche
... zunehmen muss in den Brüdern und Schwestern, die nicht in voller
Gemeinschaft mit ihr stehen." Da die römisch-katholische Kirche nicht
von der Überzeugung ablässt, "die einzige wahre Kirche Christi zu
sein", ist damit der von ihr beschrittene ökumenische Weg
vorgezeichnet. Geschah es im Blick auf diesen Weg, dass der
evangelischen Auffassung von Ökumene von römischer Seite unlängst
vorgehalten wurde, sie gehe nur die "Hälfte des Weges"? Nach
evangelischem Verständnis muss in der Tat ein ökumenischer Weg
gefunden werden, der die Anerkennung des römischen Primats und die
Bindung der Apostolizität der Kirche an die bischöfliche
Amtssukzession nicht als unumgängliche Voraussetzungen ökumenischer
Verständigung ansieht.

5. Der neue Text der Glaubenskongregation knüpft an die Aussage
des II. Vatikanischen Konzils an, wonach die Kirche Christi in der
römisch-katholischen Kirche "subsistiere". Die Frage liegt nahe,
warum dort der Ausdruck "subsistiert in" und nicht einfach das Wort
"ist" gebraucht wird. Man spürt den "Antworten" ab, wie schwer sie
sich mit dieser Frage tun. Denn mit der Aussage des II. Vatikanischen
Konzils ist der Weg verstellt, die römisch-katholische Kirche und die
wahre Kirche Christi einfach gleichzusetzen. Die "Antworten" legen
jedoch allergrößten Wert darauf, dass dadurch die katholische Lehre
über die Kirche nicht verändert wurde. Der Ausdruck "subsistiert in"
soll freilich zugleich zum Ausdruck bringen, dass außerhalb des
Gefüges der römisch-katholischen Kirche "vielfältige Elemente der
Heiligung und der Wahrheit" zu finden sind, "die als der Kirche
Christi eigene Gaben auf die katholische Einheit hindrängen". Diese
Einsicht könnte so fruchtbar gemacht werden, dass zwischen der
"katholischen (also: umfassenden) Einheit" und der
römisch-katholischen Kirche differenziert wird. Diese Möglichkeit
wird in den "Antworten" so wenig genutzt wie in der Erklärung
"Dominus Iesus" aus dem Jahr 2000.

6. An einer Stelle des Kommentarteils wird eine Sensibilität dafür
erkennbar, dass die Unterscheidung zwischen den "Kirchen im
eigentlichen Sinn" und den kirchlichen Gemeinschaften, denen der Name
"Kirche" vorenthalten wird, "bei den betroffenen Gemeinschaften und
auch in katholischen Kreisen Unbehagen verursacht" hat. Mit folgendem
Argument wird trotzdem an dieser Unterscheidung festgehalten: Diese
Gemeinschaften "nehmen den theologischen Begriff von Kirche im
katholischen Sinn nicht an; ihnen fehlen Elemente, die von der
katholischen Kirche als wesentlich betrachtet werden." Hier ist
immerhin der Ausdruck "Kirche im eigentlichen Sinn" vermieden und
durch die weniger anstößige Formulierung "Kirche im katholischen
Sinn" ersetzt. Der Gedanke freilich, auch der römisch-katholischen
Kirche könnten Elemente fehlen, die anderen Kirchen wichtig sind -
zum Beispiel der Respekt vor der Urteilsfähigkeit der Gemeinden, der
gleiche Zugang von Frauen zum geistlichen Amt oder die Einsicht in
die Fehlbarkeit des kirchlichen Lehramts - , erhält keinen Raum.
Deshalb wird die Einsicht in die Relativität der eigenen Position
sofort wieder zurückgenommen. Dabei läge genau darin die Chance,
unterschiedliche Sichtweisen miteinander ins Gespräch zu bringen. Das
kann freilich nur gelingen, wenn keine Seite von vornherein einen
Anspruch darauf erhebt, der Wahrheit näher zu sein als die andere.

7. Die Fragen, auf die der Text der Glaubenskongregation
antwortet, kommen im wesentlichen nicht aus anderen Kirchen, sondern
aus "katholischen Kreisen". Die Glaubenskongregation ist spürbar
beunruhigt darüber, dass neue Beiträge des theologischen Nachdenkens
immer noch und immer wieder "nicht ... frei sind von irrigen
Interpretationen." Sie sortiert säuberlich zwischen "gesunder Lehre",
für die sie selbst zuständig ist, und "irrigen Interpretationen". In
reformatorischer Perspektive hingegen ist es nicht immer schon im
Vorhinein ausgemacht, wer irrt und wer in der Wahrheit ist. Aber auch
in der katholischen Diskussion wird der neue Text der
Glaubenskongregation die Frage nicht zum Schweigen bringen, ob die
Vorstellung von einer abgestuften Nähe zur Wahrheit, wie sie bisher
vom römisch-katholischen Lehramt vertreten wird, vor der biblischen
Botschaft Bestand hat.

8. "Die Zukunft der Kirche wird eine ökumenische sein. Das
entspricht der Verheißung Jesu Christi, und es entspricht - in
Deutschland ebenso wie an anderen Orten - den praktischen
Notwendigkeiten von Zeugnis und Dienst der Kirche. Darin kann uns
auch die Kongregation für die Glaubenslehre nicht irre machen. Die
ökumenische Zukunft der Kirche bedeutet aber nicht die Auflösung und
Nivellierung aller konfessionellen Profile, sondern die Überwindung
ihres trennenden Charakters." Diese Sätzen beenden die Stellungnahme,
mit der Präses Manfred Kock, mein Vorgänger im Amt des
Ratsvorsitzenden der EKD, am 5. September 2000 auf die
Veröffentlichung der Erklärung "Dominus Iesus" reagiert hat. Sie
gelten heute genauso wie vor sieben Jahren.

Die Hoffnung auf einen Wandel der ökumenischen Situation ist mit
dem heute veröffentlichten Dokument zwar erneut in die Ferne gerückt.
Aber "wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber
Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber lässt nicht
zuschanden werden" (Römer 5,3-5).

Hannover, 10. Juli 2007

Für die Richtigkeit:
Pressestelle der EKD
Silke Römhild

Originaltext: EKD Evangelische Kirche in Deutschland
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55310
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55310.rss2

Pressekontakt:
Evangelische Kirche in Deutschland
Hans-Christof Vetter
Herrenhäuser Strasse 12
D-30419 Hannover
Telefon: 0511 - 2796 - 269
E-Mail: christof.vetter@ekd.de


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