Werder Bremen-Presseservice: Interview mit Martin Harnik: "Mit Chiles Torwart hätte ich das Trikot getauscht"
Geschrieben am 26-07-2007 |
Bremen (ots) - Werders Sturmtalent Martin Harnik, der erst vor wenigen Wochen seinen ersten Profi-Vertrag bei Werder Bremen unterzeichnet hat, schrieb mit der österreichischen U 20-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Kanada Geschichte. Als Außenseiter in das Turnier gestartet, landete Österreich am Ende auf einem sensationellen vierten Platz - noch nie war eine Junioren-Mannschaft Österreichs erfolgreicher. Im Interview mit WERDER.de spricht er über seine Eindrücke von der WM und seine nächsten Ziele bei Werder:
Glückwunsch zum 4. Platz. Hast du vorher damit gerechnet, dass ihr so einen Erfolg haben werdet? Vor der WM wäre ich schon zufrieden gewesen, wenn wir die Gruppenphase überstanden hätten. Das Ziel des Teams war das Achtelfinale. Wir haben eine ordentliche Vorrunde gespielt und dann auch ein wenig Glück gehabt, dass wir auf Gambia getroffen sind. Portugal wäre sicherlich der schwerere Gegner gewesen. Ab dem Achtelfinale haben wir uns dann fast in einen Rausch gespielt und richtig guten Fußball gezeigt, vor allem gegen die USA. Die Euphorie war im Halbfinale dann natürlich am Höhepunkt und wir waren sicherlich enttäuscht, dass wir es nicht ins Endspiel geschafft haben. Aber der Stimmung haben die beiden Niederlagen zum Schluss keinen Abbruch getan. Selbst nach dem unglücklich verlorenen Spiel um Platz 3 haben wir erst einmal richtig gefeiert.
Nimmst du es eigentlich dem chilenischen Torwart übel, dass er deine beiden Chancen im Spiel um Platz 3 noch sensationell vereitelt hat? Das war doch Wahnsinn! Hätte ich nicht zur Doping-Kontrolle gemusst, hätte ich das Trikot mit ihm getauscht. Ich habe im Abschluss eigentlich alles richtig gemacht und dann hält er die Bälle doch noch. Bereits im Gruppenspiel gegen uns war er bärenstark, für mich der beste Torwart des Turniers.
Was war für dich das größte Erlebnis während der WM? Das Viertelfinalspiel gegen die USA. Nicht nur, weil wir gewonnen haben, sondern vor allem wegen der Stimmung im Stadion. Bis zu diesem Zeitpunkt waren wir der Underdog, der von rund 100 Fans angefeuert wurde. Aber gegen die USA haben uns aufgrund der sportlichen Rivalität zwischen Kanada und den USA 17.000 Kanadier angefeuert. Die haben uns richtig gepuscht, das war unbeschreiblich.
Habt ihr währenddessen von der Riesen-Begeisterung in Österreich etwas mitbekommen? Dadurch, dass wir oft nach Hause telefoniert haben, wussten wir, dass in den Medien viel über uns berichtet wurde. Aber man konnte sich das nicht so richtig vorstellen. Uns war nicht klar, dass wir solche Begeisterungsstürme entfachen. Erst als uns der ÖFB-Präsident Friedrich Stickler berichtet hat, was los war, bekamen wir langsam eine Ahnung davon. Unsere Spiele haben bis zu 700.000 Zuschauer im Fernsehen verfolgt. Das klingt erst einmal nicht viel. Aber für Österreich ist das sehr viel und man darf nicht die späten Anstoßzeiten vergessen. Daher wäre ich auch gerne bei der Ankunft in Wien dabei gewesen. Im Internet habe ich gesehen, dass uns einige hundert Fans gefeiert haben.
Wer war euer schwerster Gegner während der WM? (lacht). Der Rasen im Stadion in Edmonton. Das war eigentlich ein Football-Platz. Von weitem sah er richtig gut aus, doch näher betrachtet war er sehr wellig und knüppelhart. Der wurde vorher nicht gewässert. Unsere schwerste Aufgabe war es beim Laufen darauf zu achten, dass uns der Ball nicht verspringt.
Die Spiele in Toronto fanden dagegen auf Kunstrasen statt. Ein ungewohntes Gefühl? Das war ein sehr guter Kunstrasen, zumal es bei zwei von drei Spielen vorher geregnet hatte und der Platz dadurch nicht so stumpf war. Er ist mit den Kunstrasenplätzen bei Werder zu vergleichen, die wir im Training nutzen. Daher kam ich damit ganz gut klar.
Welche Erfahrungen nimmst du von der Weltmeisterschaft mit? Sportlich war das eine sehr schöne Erfahrung. Aber auch persönlich war das sehr interessant. Nach der Unterschrift unter meinen Profi-Vertrag bei Werder war das öffentliche Interesse größer geworden und auch der Druck stieg an, auch seitens des Trainers. Damit musste ich erst einmal umgehen, das war ungewohnt.
Du wirst auch weiterhin im Österreich-Trikot stürmen und nicht für den DFB spielen. Wie kam es zu der Entscheidung? Die Entscheidung fiel kurz vor der WM. Da haben Präsident Stickler, Nationaltrainer Hickersberger und auch Teammanager Andreas Herzog persönliche Gespräche mit mir gesucht. Die Rundum-Betreuung war wie bei Werder, es hat einfach alles gestimmt und ich habe mich wohl gefühlt. Es war eine Herzensentscheidung.
Konntest du mit Andreas Herzog auch über seine Zeit bei Werder sprechen? Nach dem ersten Spiel haben wir über eine Stunde über alles Mögliche gesprochen. Die Nationalmannschaft, seine Erfahrungen bei Werder und wie er Thomas Schaaf erlebt hat. Das war super und auch teilweise sehr lustig.
Du hattest nach dem letzten Regionalliga-Spiel nur rund zwei Wochen Pause, nun steckt die WM in den Knochen. Macht sich keine leichte Müdigkeit bei dir bemerkbar? Der Jet-Lag ist extrem. Das waren die ersten Überseeflüge für mich. Vorher ging die weiteste Reise nach Spanien. Den Schlafrhythmus muss ich erst wieder rein bekommen. Körperlich fühle ich mich dagegen fitter als vor der Weltmeisterschaft, da ich vorher durch meine Fußverletzung leicht geschwächt war. Jetzt bin ich froh, dass ich angreifen kann.
Welche Ziele hast du dir gesteckt? Die Diskussionen um den Sturm bei Werder habe ich natürlich auch mitbekommen. Da habe ich vielleicht schon eine gute Chance durch meinen Fußbruch im Winter verpasst. Aber jetzt will ich mich so gut wie möglich präsentieren und versuchen bei den Profis Fuß zu fassen. Im Vordergrund steht natürlich auch die Qualifikation mit der U 23 für die 3. Liga. Das ist das große Ziel von uns. Die Mannschaft hat das Potenzial, dieses Ziel zu erreichen.
Bei der WM hast du gezeigt, dass du auch im rechten Mittelfeld spielen kannst. Welche Position ist dir denn lieber? Ich spiele lieber im Angriff. Aber im System der Österreicher passt das. Da spielen wir mit fünf Mittelfeldspielern und nur einer Spitze. Da haben wir auf den Außenpositionen mehr Platz. Bei Werder spielt die rechte Position in der Raute dagegen viel mehr in der Mitte. Ich komme mit beiden Systemen klar. Außerdem ist es ja keine schlechte Eigenschaft, wenn man beide Positionen spielen kann.
Interview: Norman Ibenthal
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