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stern: Franz Müntefering will SPD-Landesverbände frei über Koalitionen mit der Linken entscheiden lassen - Kritik an Debatten um Beck und Köhler

Geschrieben am 22-08-2007

Hamburg (ots) - Im Gegensatz zum SPD-Vorsitzenden Kurt Beck
schließt Arbeits- und Sozialminister Franz Müntefering Koalitionen
mit der Linkspartei in westdeutschen Bundesländern nicht kategorisch
aus. Darüber zu befinden sei Sache der Landesverbände, sagte
Müntefering in einem Interview mit dem Hamburger Magazin stern. "Man
kann ihnen einen Rat geben, aber sie sind frei zu entscheiden." Als
"überflüssig" kritisierte der SPD-Politiker die während der
vergangenen Wochen in seiner Partei entbrannte Debatte um den
SPD-Kanzlerkandidaten 2009 - "wie die Debatte um den
Bundespräsidenten. Die ist peinlich. Die ist schädlich für das Amt
und unverschämt gegenüber Herrn Köhler", so Müntefering. "Mein
Appell: Haltet die Klappe!"

Kurz vor Beginn der Kabinettsklausur in Meseberg mahnte der
Vizekanzler die Große Koalition zu größerer Geschlossenheit und mehr
Gelassenheit. "Man darf nicht immer alles kleinkariert
parteipolitisch aufrechnen", sagte der Müntefering dem stern. Auf die
Frage, ob die Regierung noch an einem Strang ziehe, antwortete
Müntefering: "An einem Strang schon, aber nicht immer in dieselbe
Richtung." Er finde es zum Beispiel "ärgerlich, dass ich aus der
Union lange attackiert wurde, das Arbeitslosengeld II sei zu hoch",
und dieselben Leute verlangten nun "locker: Das muss man erhöhen.
Dann sollen sie sagen, wie sie es bezahlen wollen", sagte
Müntefering. CSU-Chef Edmund Stoiber und Landwirtschaftsminister
Horst Seehofer (CSU) warf er in diesem Zusammenhang
"Oppositionsgebaren" vor. "Das ist kein verantwortliches
Regierungshandeln, tut mir leid. Das läuft nicht."

An seine eigene Partei appellierte Müntefering eindringlich, zu
der von Gerhard Schröder eingeleiteten Reformpolitik zu stehen. "Wir
müssen diesen Weg weitergehen. Ein anderer Kurs wäre falsch für das
Land - und auch für die Partei. Wir dürfen nicht zurückfallen in die
teils strukturkonservative sozialdemokratische Politik der 70-er
Jahre", sagte der SPD-Politiker dem stern. Dank der Agenda 2010 tue
sich "eine ganze Menge". Wenn die SPD davon profitieren wolle, "muss
man sich melden: Wir waren das. Wir sind das! Das sollten wir ein
bisschen lauter tun", so Müntefering weiter. Die SPD solle sich nicht
von Umfragen beeindrucken lassen. "Ach Umfragen! Schmeiß sie weg,
nächste Woche kommen neue", sagte der Vizekanzler. Er sei Politiker,
kein "Umfragen-Umsetzer. Politik muss auch führen." Bei Krächen mit
der Union denke er insgeheim immer "daran wie es 2009 sein wird:
Dieses Ding gewinnt ihr nicht.

Als Kern einer modernen SPD-Politik für die zweite Hälfte der
Legislaturperiode sieht Müntefering die Verknüpfung von Arbeit und
Umwelt. Im stern kündigte der Vizekanzler an, dass er gemeinsam mit
Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) auf einer Konferenz im Herbst
beraten wolle, "wie man aus einer vernünftigen ökologischen Politik
möglichst viel für das Wachstum und den Arbeitsmarkt herausholen
kann". Müntefering schlägt dafür auch ein Programm des Bundes, der
Länder und Kommunen vor, alle öffentlichen Gebäude energetisch zu
sanieren. Der Sozialminister plädierte zudem dafür, dass die geplante
Ausweitung der Mitarbeiterbeteiligung an Gewinn und Kapital "auch der
Altersvorsorge dienen" müsse. "Es muss üblich werden, dass
Berufsanfänger sofort mit dem Sparen fürs Alter anfangen - so, wie
man früher einen Bausparvertrag hatte."

Nach der Vereinbarung im Koalitionsausschuss, einen Mindestlohn
für Postdienstleister zu prüfen, warb Müntefering erneut für
generelle gesetzliche Mindestlöhne. "In einige Branchen wird die
Marktlage missbraucht, um Dumpingpreise durch Dumpinglöhne zu
erreichen", sagte er dem stern. Schuld daran sei auch die
"Geiz-ist-geil"-Mentalität; diese sei "eine Katastrophe: etwas so
billig wie möglich kriegen zu wollen ohne Rücksicht darauf, was der,
der es herstellt, dafür leisten muss", kritisierte der
Sozialminister." Arbeit im Hochleistungsland Deutschland kostet
etwas."

Diese Vorabmeldung ist mit Quellenangabe zur Veröffentlichung
frei.

Originaltext: Gruner+Jahr, stern
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6329
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Pressekontakt:
Für Rückfragen: stern-Nahrichtenredaktion, Tel. 040-37033555


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