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Börsen-Zeitung: Die Kandare der Fed, Kommentar von Bernd Neubacher zur Aktion amerikanischer Großbanken, sich zum kürzlich gesenkten US-Diskontsatz jeweils 500 Mill. Dollar zu leihen

Geschrieben am 23-08-2007

Frankfurt (ots) - Wollen die Pferde nicht saufen, nimmt die
Notenbank sie an die Kandare und führt sie zur Tränke. Anders ist es
kaum zu interpretieren, wenn sich die vier größten Banken der USA bei
der Federal Reserve zum Diskontsatz jeweils 500 Mill. Dollar leihen -
geschlagene drei Handelstage nach dessen Senkung auf 5,75%. Und ist
es Zufall, wenn eines der Institute, die Bank of America, zugleich
dem wankendenHypothekenmarktführer Countrywide mit Milliarden unter
die Arme greift, oder hat die Fed eine konzertierte Aktion zur
Rettung des US-Kapitalmarkts eingeleitet?

Fürs Erste ist es der Notenbank wohl um eine Initialzündung beim
Diskontsatz gegangen. Für eine Citigroup, die eine Bilanzsumme von
2,2 Bill. Dollar wuppt, haben 500 Mill. Dollar wohl nur symbolische
Bedeutung, und auch die anderen Häuser können sich andernorts sicher
günstiger refinanzieren. Aber wenn die erste Riege der US-Banken den
um 50 Basispunkte über der Fed-Funds-Zielrate liegenden Satz zahlt,
dann nimmt ihm dies den Charakter des Strafzinses für Institute, die
nirgends sonst mehr Geld bekommen, und animiert zur Nachahmung. So
lautet offenbar das Kalkül von Fed-Chef Ben Bernanke. Mit den
US-Banken und der Deutschen Bank, die sich schon am Freitag Geld zum
Diskontsatz geliehen hatte, berappen den Aufschlag ja immerhin
Institute, die mit ihrer Hypotheken-Verbriefungswut ihren Anteil zum
Subprime-Debakel beigetragen haben.

Folgt man Altkanzler Helmut Kohl, wonach entscheidend ist, was
hinten herauskommt, kann sich Bernanke auf die Schulter klopfen: Der
Markt für US-Staatsanleihen scheint sich zu stabilisieren, und im
Geschäft mit Commercial Papers sinken die Renditen.

Alles in Butter also? Keineswegs: Der Verdacht, Probleme der
großen Banken hätten die konzertierte Aktion erst notwendig gemacht,
wird nicht schnell aus der Welt zu schaffen sein. Schlimmer noch: Da
gerade klamme Institute vor ihren Aktionären kaum verantworten
wollen, ohne erkennbareNot und ohne Nötigung durch die Fed den
Diskontsatz genutzt zu haben, könnte ihn die Notenbank bald auf das
Leitzinsniveau von 5,25% senken. Je öfter aber sie im Markt
interveniert, umso eher nimmt sie ihm die Chance zur Selbstheilung,
wertet das Recht zu scheitern ab und leistet dem Glauben Vorschub,
auch künftig zu Hilfe zu eilen. Marktteilnehmer dürfte dies
ermutigen, noch höhere Risiken einzugehen. Damit gilt: Nach der Krise
ist vor der Krise.

(Börsen-Zeitung, 24.8.2007)

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
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