"Schreiben ist besser für mich, als eine Therapie es je sein könnte". emotion zu Besuch bei Isabel Allende

Hamburg (ots) - Ihre größten literarischen Erfolge schrieb Isabel
Allende in Krisenzeiten: "Das Geisterhaus" entstand aus einem Brief
an ihren sterbenden Großvater. In "Paula" verarbeitete sie den Tod
ihrer Tochter, die mit 28 Jahren starb, nachdem sie ein Jahr lang im
Koma gelegen hatte. "Schreiben ist für mich wie eine Katharsis, wie
eine Läuterung der Seele", sagt die chilenische Schriftstellerin im
Gespräch mit emotion (ab heute im Handel). "Wenn ich etwas aufs
Papier bringe, nimmt ein Gefühl Gestalt an. Ich kann es benennen,
objektiv betrachten und ihm Grenzen zuweisen. Es wird kontrollierbar.
Schreiben ist besser für mich, als eine Therapie es je sein könnte."

So sei auch die Arbeit an "Paula" eine Erlösung gewesen:
"Plötzlich floss alles heraus, was sich angestaut hatte. Der
Todeskampf meiner Tochter nahm bis dahin jeden Raum meines Lebens
ein. Ich war emotional abgetrennt von allem, was ich liebte. Ich war
so voll von Paulas und meinem eigenen Leiden, dass ich nichts um mich
herum wahrnahm. Als ich 'Paula' schrieb, konnte ich die Ereignisse
zum ersten Mal wirklich begreifen."

Heute lebt Isabel Allende mit ihrem zweiten Mann in San Francisco.
Als dieser damals, vor 20 Jahren zögerte, sie zu heiraten, stellte
sie ihm kurzerhand ein Ultimatum. "Halbe Sachen mache ich nicht",
sagt die 65-Jährige. "Viele Menschen trauen sich nicht, ihr Leben in
vollen Zügen und leidenschaftlich zu leben, weil sie Angst vor
Enttäuschungen und Verletzungen haben. Alle Schritte in meinem
bisherigen Leben waren bestimmt durch den Drang nach Freiheit.
Natürlich ist Liebe ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Wenn ich
mich aber zwischen beiden entscheiden müsste: Ich würde auf jeden
Fall die Freiheit wählen."

München, 14. September 2007

Originaltext: Gruner+Jahr, emotion
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