WAZ: Der Skandal-Kardinal Meisner und die offene Gesellschaft - Leitartikel von Ulrich Reitz
Geschrieben am 16-09-2007 |
Essen (ots) - War nicht so gemeint, lässt der Kölner Kardinal nun verlauten. Das nehmen wir Joachim Meisner getrost mal nicht ab. Wäre er nämlich überzeugt, daneben gehauen zu haben, müsste er schon genau erklären, weshalb. Er müsste Abstand nehmen vom eigenen Tabubruch und das überzeugend begründen. Davon aber kein Wort.
"Wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung abgekoppelt wird, erstarrt der Kult im Ritualismus, und die Kultur entartet." Tut es Meisner etwa leid, bei der Nazi-Sprache eine Anleihe genommen zu haben? Darüber lässt er uns im Unklaren. Gegen ihn spricht indes, dass er vor zwei Jahren Abtreibungen mit den Massenmorden Stalins und Hitlers verglich. Es gibt wirklich gute Gründe, gegen Abtreibungen zu sein, aber die Anleihe bei den totalitären Diktatoren ist der Versuch, allein schon die Diskussion darüber zu tabuisieren.
Findet es Meisner etwa verfehlt, Kultur "entartet" dann zu nennen, wenn sie nicht-religiös daherkommt? Findet er es etwa nun, angesichts der Kritik, nicht mehr richtig, die Vorherrschaft der Religion über die Kunst zu behaupten? Wohl kaum, denn sonst hätte es uns der Gottesmann schon wissen lassen. So aber bleibt sein Zitat ein doppelter Skandal: Es macht Nazi-Sprache hoffähig und verurteilt die Kunstfreiheit. Genau das ist es, was Meisner gar nicht gefällt: dass Kunst frei ist. Nicht nur frei zur Religion. Sondern ebenso selbstverständlich frei von Religion. Diese Freiheit macht das Wesen der liberalen, offenen Gesellschaft aus. Gerade daher ist die Freiheit der Kirche begrenzt, anders als in vielen islamischen Staaten, die aus einem Religions-Regelbuch, der Scharia, einen Staatsregel-Kanon gemacht haben. Wenn die Aufklärung der Ausgang des Menschen aus selbst verschuldeter Unmündigkeit sein sollte, dann meinte Kant damit auch die Unmündigkeit, die folgt, wenn Religion über Vernunft gestellt wird. Der liberale Rechtsstaat musste eben auch erkämpft werden gegen die Kirche. Meisner sollte uns erklären, ob er zur offenen Gesellschaft steht, oder ihr eine Art katholischen Gottesstaat vorzieht.
Schließlich offenbart Meisner einmal mehr sein Kirchenverständnis. Klein, elitär, sektiererisch, frauenfeindlich, in gewisser Weise gnadenlos, orthodox im Sinne der reinen Lehre und daher reinen Gewissens vor Gott. Würde er sich damit durchsetzen, es wäre das Ende der Volkskirche. Daher ist das, was auch noch zwei Tage nach der sehr wohl kalkulierten Entgleisung sauer schmeckt, das Ausbleiben einer Korrektur durch Kirchenleute selbst. Oder findet Meisner mehr Anhänger, als gut wäre?
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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