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Rheinische Post: Mindestlohn: Vor dem Sündenfall

Geschrieben am 28-09-2007

Düsseldorf (ots) - Von Sven Gösmann

Angst ist ein schlechter Ratgeber, auch in der Politik. Leider ist
die CDU eine ängstliche Partei. Und so hat sie sich in dieser Woche
ein weiteres Stück vom Pfad ordnungspolitischer Tugenden entfernt,
indem sie ihren Widerstand gegen den Post-Mindestlohn de facto
aufgegeben hat. Auf Geheiß von Kanzlerin Angela Merkel zogen die
CDU-geführten Regierungen von Hessen und Niedersachsen ihren
Bundesrats-Antrag gegen eine Ausweitung des
Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf die dynamisch wachsende
Briefzustellbranche zurück. Zwar sicherte Merkel sich so ihren
Koalitionsfrieden mit der SPD, dafür gab sie ein Stück
christlich-demokratischer Identität preis. Denn wirtschaftspolitische
Vernunft gehörte über Jahrzehnte zu den Ausstellungsstücken im
Schaufenster der Union, die ihre soziale Ader darüber nie vergaß.
Merkel öffnet nun den Weg zu einem staatlich verordneten Zwangslohn
für die Branche der Briefzusteller. 9,80 Euro hat der einstige
Monopolist Post mit den Gewerkschaften verhandelt. Die Post-Forderung
nach dem Mindestlohn für die Zusteller ist nicht mehr als der gut
getarnte Versuch, das eigene Monopol auf dem Briefmarkt zu retten.
Die Post schreibt ihrer Konkurrenz auf dem Markt Löhne in einer Höhe
vor, die diese jungen Unternehmen schlicht nicht zahlen können.
Der von der Post mit den Gewerkschaften vereinbarte Mindestlohn
trifft das Unternehmen selbst kaum. Der einstige Staatskonzern muss
ohnehin an seine zahlreichen Beamten und sonstigen "Besitzständler"
noch viele Jahre deutlich höhere Löhne zahlen. Übrigens: Dass der
gelbe Riese im vergangenen Jahrzehnt 100.000 Jobs abgebaut hat,
während die privaten Zusteller 50.000 schufen, erwähnen weder die
Post noch ihre Kampagneros von der SPD.
So droht ein ordnungspolitischer Sündenfall erster Ordnung. Die
Unionsparteien opfern aus Furcht vor dem Wähler wenige Monate vor den
Urnengängen in Hessen, Niedersachsen und Hamburg eine ihrer
wichtigsten Überzeugungen: dass in Deutschland Tarifpartner Löhne
vereinbaren und nicht der Staat diese festlegt.
Wie auch beim "Antidiskriminierungsgesetz" wird deutlich, dass vielen
handelnden Figuren in der Unionsspitze der Kompass verlorengegangen
ist. Ist etwas aus dem eigenen Programm nicht mehr von vornherein
mehrheitsfähig, gibt man es mit Verweis auf die Koalitionsräson eilig
preis. Dabei wird der Mangel an Persönlichkeiten, die durch Argumente
die Öffentlichkeit auf ihre Seite zu ziehen verstehen, augenfällig:
In der Wirtschaftspolitik ist die CDU nach dem Abgang von Friedrich
Merz eine intellektuelle Brachlandschaft.
Die Kanzlerin surft derweil auf den Schaumkrönchen der Außen- und
moderiert die Innenpolitik. So verliert die Union in den
Kabinettssälen eine Schlacht nach der anderen gegen die
Sozialdemokraten, die ihrerseits unter dem Druck der
Lafontaine-Partei das Koordinatensystem nach links verschieben. Dies
zahlt sich in der öffentlichen Wirkung für die SPD noch nicht aus,
schafft aber bleibende Hindernisse für die Wirtschaftsentwicklung.
Der derzeitige Aufschwung der Konjunktur wie der staatlichen Finanzen
findet deshalb seine Antriebskraft in der Weltwirtschaft, gewiss
nicht in der deutschen Politik.
Mindestlohn, das klingt schließlich nur populär, ist aber
populistisch. Er wird sich wie ein Sargdeckel auf die Hoffnungen
gering qualifizierter Arbeitssuchender legen. Für sie ist die Hürde
9,80 Euro Mindestlohn gleichbedeutend mit Chancenlosigkeit oder dem
Weg in die Schwarzarbeit. 50 000 Arbeitsplätze sind jetzt bei den
privaten Briefzustellern in Gefahr. Man stelle sich vor, bei einem
Konzern wie Siemens stünden Entlassungen in dieser Größenordnung
bevor Parteiführer jeglicher Couleur würden nicht müde, nach der
Rettung der Jobs zu rufen.
So sind die Bediensteten der privaten Zusteller die großen Verlierer
des zynischen Kalküls von SPD-Strippenzieher Franz Müntefering, der
ein Wahlkampfthema gefunden hat, mit dem er die ängstliche Union vor
sich hertreiben kann. Vergangene Woche verkündete er unwidersprochen
vom Regierungspartner, er vertraue für die Zukunft auf "die weitere
Sozialdemokratisierung der Bundesrepublik".

Originaltext: Rheinische Post
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30621
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Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
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Telefon: (0211) 505-2303


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