Westdeutsche Zeitung: Siegburger Foltermord = von Peter Kurz
Geschrieben am 04-10-2007 |
Düsseldorf (ots) - Abscheulicher und grausamer lässt sich ein Mord wohl kaum begehen. Dennoch verhängte das Bonner Landgericht in dem Siegburger Fall nur einmal - beim jüngsten Täter - das Höchstmaß von zehn Jahren Jugendstrafe. Dabei hätte bei den anderen beiden Verurteilten ein "lebenslang" doch nahegelegen. Nach dem Jugendgerichtsgesetz dürfen die Richter trotz festgestellten Mordes das eigentlich fällige "lebenslang" zwar unterschreiten. Doch in einem Fall wie diesem, in dem das Opfer ein elfstündiges Martyrium durchlitt, bevor es schließlich umgebracht wurde, erscheint das kaum gerechtfertigt. Verständlich wird dies allenfalls unter einem Aspekt, der in dem Satz des Vorsitzenden Richters anklingt: "Die Taten wurden durch die Zellensituation begünstigt." Dahinter steht der Vorwurf, dass die Täter nicht allein verantwortlich waren. Dass die Gesellschaft ihnen einen Teil ihrer Schuld abnehmen muss: Vier junge Leute auf engstem Raum in einer Zelle zusammenzupferchen darin kommt auch eine Mitverantwortung des Strafvollzugs zum Ausdruck. Der Staat hat gegenüber denjenigen, die er in seine Gewalt nimmt, die Pflicht, diese vor Übergriffen zu schützen. Das Opfer von Siegburg hingegen, ein zu sechs Monaten Haft verurteilter Kleinkrimineller, wurde schmählich allein gelassen. Erst nach dem Fall Siegburg wurden im NRW-Jugendstrafvollzug Dreier-und Viererbelegungen der Zellen verboten. Demnächst gibt es das Recht auf Einzelunterbringung. Erste Lehren sind also aus dem Fall gezogen. Doch es muss mehr geschehen. Mehr Hafträume und Wachpersonal, Schul- und Ausbildungsangebote für jugendliche Straftäter. All das kostet Geld. Wenn wir aber diesen Preis nicht bezahlen, so wird uns das langfristig noch teurer zu stehen kommen. Auch der nun abwinkende Steuerzahler, dem die Zustände im Knast egal sind, weil er glaubt, mit dieser Welt werde er ja nie in Berührung kommen, sollte sich klar machen: Mangelnde Resozialisierungsbemühungen wirken sich nicht nur auf das Zusammenleben der Häftlinge aus. Nicht resozialisierte, zusätzlich verrohte Straftäter können jedem von uns nach der Haftentlassung über den Weg laufen. Und dann kann deren zweifelhafte Karriere auch zu unserem ganz persönlichen Schicksal werden.
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