LVZ: Leipziger Volkszeitung zu Fußball-EM-Qualifikation und Lokal-Derby Unwürdig

Leipzig (ots) - Von Winfried Wächter
Vielleicht hatten die deutschen Funktionäre gestern keine Ambitionen,
sich um die Niederungen des Fußballs zu kümmern. Zu verstehen wäre
es, denn die vorfristig und überzeugend geschaffte Qualifikation der
Nationalmannschaft für die Euro 2008 dürfte die Präsidialen in
Hochstimmung versetzt haben. Vor zwei Wochen der WM-Titel der Frauen,
jetzt die Löw-Elf als erster EM-Teilnehmer - der deutsche Fußball und
sein Sportverband können sich vor Stolz auf die Brust klopfen.
Der Hype um die Nationalelf hält also auch nach der Weltmeisterschaft
an. Wer ein Länderspiel haben möchte, muss sich gegen viele
Kontrahenten durchsetzen. Leipzig, die Stadt mit dem niederklassigen
Fußball und dem exzellenten, auch aus Millionen Steuergeldern
gebauten Stadion, möchte gerne dazu gehören. Theo Zwanziger hatte bei
seinem jüngsten Besuch an der Pleiße einen Auftritt des WM-Dritten
für das kommende Jahr bereits zugesagt. Ob der Chef des
Fußball-Bundes angesichts seiner Zusage nachdenklich geworden wäre,
hätte er gestern aus Dublin direkt das Zentralstadion angesteuert?
Wer einigermaßen neutral und mit klarem Blick auf die Begleitumstände
des Spiels zwischen der zweiten Mannschaft des FC Sachsen und dem 1.
FC Lok schaut, der kann sich nur an den Kopf fassen. Trittbrettfahrer
freuen sich zudem seit Wochen auf die Auseiandersetzung.
Sicherheitsvorkehrungen in einem solchen Ausmaß für ein Spiel der
fünften Liga sind jedenfalls keinem Steuerzahler zu vermitteln. Sie
sind allerdings kaum zu vermeiden, wenn ein solches Hasspotenzial
aufeinander trifft. Man stelle sich vor, die Chaoten könnten
gewähren, wie sie wollten. Wäre die Vorzeige-Arena nicht extra für
solche Eventualitäten in Hinblick auf die WM konstruiert worden,
könnte nicht für die öffentliche Sicherheit garantiert werden. So hat
sich das für die WM konzipierte Vorgehen im Alltag bewährt.
Vor reichlich einem Jahr wurde es allenUnkenrufen im Vorfeld zum
Trotz nicht gebraucht. Es ging so friedlich in Leipzig zu, wie man es
sich nur wünschen kann. Die südkoreanischen Fans zelebrierten 90
Minuten lang während des Auftritts ihrer Mannschaft die Ode an die
Freude. Mexikaner und Argentinier feierten gemeinsam auf dem Weg ins
Stadion - und danach! -, und sorgten für einen stimmungsvollen
Abschluss der Spiele in Leipzig. Die Holländer hatten zum Auftakt mit
ihrem Marsch vom Burgplatz ins Stadion Maßstäbe gesetzt. Als gestern
marschiert wurde, kam kein Jubel auf.
Es ist unwürdig für Leipzig, wie sich sein Fußball präsentiert -
zwischen Insolvenzen und Krawallen. Die deutschlandweite Wirkung
solcher Bilder ist verheerend, jedes Klischee über
Auseinandersetzungen in den neuen Bundesländern wird damit bedient.
Je niederklassiger der Fußball ist, desto mehr wird er die vielen
ehrlichen Fans abhalten, die Spiele zu besuchen. Die
Unverbesserlichen sind daher in der Überzahl. So lange die
Niederklassigkeit anhält, wird sich auch die Fankultur nicht ändern
beziehungsweise den Eindruck dominieren. Dabei ist die gestrige
Bilanz vergleichsweise harmlos. So weit ist es gekommen, dass dies
als gute Nachricht zu werten ist.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
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