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Lothar Bisky: Demokratische Mitsprache unverzichtbar

Geschrieben am 19-10-2007

Berlin (ots) - Zur Einigung der Staats- und Regierungschefs der
EU-Mitgliedsstaaten auf einen neuen Reformvertrag erklärt der
Parteivorsitzende Lothar Bisky:

Die beschlossenen Vertragsänderungen entsprechen nur auf wenigen
Gebieten den Herausforderungen der Gegenwart und kaum denen der
Zukunft. Eine reale Zukunftsfähigkeit für die Europäische Union wird
nicht begründet - die markantesten Defizitpunkte bisheriger
Europapolitik und die damit verbundenen Gründe für die wachsende
Kluft zwischen Politik und Akzeptanz der EU durch die Bürgerinnen und
Bürger bleiben leider bestehen.

Positive Ansatzpunkte für Linke sind die mit den
Vertragsänderungen möglich werdenden Schritte zur weiteren
Demokratisierung der Union durch deutlich mehr Rechte für das
Europäische Parlament, durch die Möglichkeit von Bürgerbegehren und
durch die Rechtsverbindlichkeit der Grundrechte-Charta. Dies kann
dazu beitragen, dass Bürgerinnen und Bürger und ihre
Interessenvertretungen und natürlich die linken Kräfte aktiver als
bisher Einfluss auf Teile der EU-Politik nehmen können, obwohl die so
genannten "opting-out"-Klauseln (Ausnahme-Regelungen) für
Großbritannien und Polen ein Zwei-Klassen-Europa befördern.

Ambivalent sind die Ergebnisse, was das soziale Europa betrifft.
Hier stehen neue Vertragsformulierungen, wie die einer sozialen
Marktwirtschaft für den Binnenmarkt und einer "sozialpolitischen
Querschnittsklausel" dem unveränderten Artikel 98 des alten
EG-Vertrages gegenüber, der die "offene Marktwirtschaft mit freiem
Wettbewerb" als Grundsatz für die Wirtschaftspolitik in der Union
festschreibt. Da weder Wettbewerbs- noch Wirtschafts- und
Währungspolitik inhaltliche verändert wurden, bleibt die neoliberale
Grundausrichtung bestehen. Wie dieser Widerspruch gelöst und die
erforderliche Weichenstellung für eine anti-neoliberale Politik
vorgenommen werden können, sollte deshalb öffentlich und transparent
in einer breiten gesellschaftlichen Debatte und nicht nur in den
Chefetagen von Banken, Wirtschaftsunternehmen und Ministerien
entschieden werden.

DIE LINKE als konsequente Friedenspartei lehnt eine weitere
Militarisierung der Union ab. Mit den Bestimmungen über die
"Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik" soll die
militärische Komponente zum vorherrschenden Instrument der
Sicherheits- und Verteidigungspolitik werden, was sich unschwer an
den Proportionen zwischen zivilen und militärischen vertraglichen
Regelungen ablesen lässt. Es ist in höchstem Maße unverständlich,
dass eine Union, die die Förderung des Friedens, ihrer Werte und des
Wohlergehens ihrer Völker als ihr Ziel definiert (Artikel 3), im
gleichen Vertrag alle Mitgliedstaaten verpflichtet, "ihre
militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern" (Artikel 27,
Absatz 3) und mit der praktischen Durchführung eine so genannte
Verteidigungsagentur beauftragt.

Wir wenden uns strikt gegen die Etablierung eines militärischen
Kerneuropas durch eine "ständige strukturierte Zusammenarbeit" der
Mitgliedstaaten. Damit würde einer der Hauptgründe für die Bildung
der damaligen EG, die Einbindung großer Staaten und die Kontrolle
ihrer Rüstungsproduktion, in ihr Gegenteil verkehrt.

Sollten die vertraglichen Möglichkeiten im Bereich der
Sicherheits- und Verteidigungspolitik in reale Politik umgesetzt
werden, was bereits schrittweise durch zwischenstaatliche
Zusammenarbeit und damit ohne jegliche Kontrolle durch das
Europäische Parlament und weitgehend auch die nationalen Parlamente
geschieht, dann wird unsere Welt nicht sicherer, sondern noch
instabiler. Europa wird damit seiner Verantwortung für den
Weltfrieden nicht gerecht.

Entscheidend für das Gelingen der europäischen Integration ist
ihre Ausrichtung an den globalen Herausforderungen der Zukunft und
den Interessen, Erwartungen und Mitgestaltungs- und
Entscheidungsmöglichkeiten aller in der Union lebenden Menschen.

DIE LINKE bleibt dabei: die Bürgerinnen und Bürger der EU müssen
selbst entscheiden, ob dieser Vertragsentwurf die Grundlage der
künftigen EU-Politik werden soll. Wir fordern die Abgeordneten des
Deutschen Bundestages auf, endlich gesetzliche Grundlagen zu
schaffen, damit auch in Deutschland Referenden durchgeführt werden
können. DIE LINKE wird ihre Fraktion im Bundestag anregen, erneut
einen entsprechenden Antrag einzubringen. Wir erwarten von den
Abgeordneten der anderen im Bundestag vertretenen Parteien, dass sie
endlich ihrer Verantwortung gerecht werden und einem solchen Antrag
zustimmen, damit auch die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland über
EU-Verträge abstimmen können, so wie es in den meisten
EU-Mitgliedstaaten möglich ist. Dem Anliegen am besten entsprechen
würde natürlich ein gemeinsamer Antrag aller im Bundestag vertretenen
Parteien. DIE LINKE im Bundestag ist dazu bereit.

Originaltext: DIE LINKE
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/41150
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_41150.rss2

Pressekontakt:
DIE LINKE
Alrun Nüßlein
Tel.: 030/24009453
Mobil: 0151/17161622
Mail: alrun.nuesslein@die-linke.de


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