Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Bundespräsident Christian Wulffs Rede in Bremen
Geschrieben am 03-10-2010 |
Bielefeld (ots) - Es ist gut, wenn man weiß, was man kann. Zum
Selbstbewusstsein gehört aber auch, zu wissen, was man nicht kann. In
diesem Sinne ist Bundespräsident Christian Wulff gestern ein sehr
selbstbewusster Auftritt gelungen. Seine Rede zum 20. Jahrestag der
Deutschen Einheit war eine gute, wenn auch keine große Rede. Sie war
nicht grandios, aber durch und durch klar. Sie war kein Feuerwerk der
Rhetorik, enthielt aber eine Reihe kluger Gedanken. Christian Wulff
ist kein brillanter Redner. Zumindest ist er bisher nicht als solcher
aufgefallen. Das ist für die allermeisten politischen Ämter nicht
schlimm, stellt für einen Bundespräsidenten aber ein gewisses Problem
dar. Das deutsche Staatsoberhaupt hat schließlich nur die Kraft des
Wortes. Dennoch hat Wulff der großen Versuchung widerstanden, zu viel
zu wollen und darüber seine Authentizität zu verlieren. Er wollte
erst gar nicht der bessere Joachim Gauck zu sein. Bescheidenheit ist
auch eine Zier. Zudem ist zu berücksichtigen, wie sehr Wulffs
Auftritt im Vorfeld politisch überhöht worden war. Zuletzt musste man
fast das Gefühl bekommen, dass es an diesem 3. Oktober um Alles oder
Nichts für ihn gehen könnte. Das war selbstverständlich Quatsch.
Richtig ist gleichwohl, dass der ehemalige niedersächsische
Ministerpräsident als Staatsoberhaupt alles andere als einen
Traumstart hingelegt hatte. Nach mehreren kleinen Pannen war Wulff
vor allem im Fall Sarrazin in die Kritik geraten. Am Ende stand auch
noch das Bundespräsidialamt unfreiwillig im Rampenlicht. Von alldem
freilich ließ sich Wulff am Tag der Einheit nichts anmerken. Und doch
nahm er den Diskussionsfaden auf, als er nach einer wohltuenden
Würdigung all derer, die sich um die Wiedervereinigung verdient
gemacht haben, die Integrationsdebatte in den Fokus rückte. Diese
Klammer war durchaus gewagt, gelang aber mit dem leicht abgewandelten
Wendeslogan »Wir sind ein Volk« erstaunlich gut. Wulff stellte die
aufgeheizte Diskussion der vergangenen Wochen vom Kopf auf die Füße,
als er feststellte, dass Deutschland längst weiter sei, als es die
Debatte vermuten lasse. Wertvoll auch seine Hinweise, dass die
Verfassungstreue für alle Menschen in Deutschland über allem zu
stehen habe und dass gesetzliche Regeln konsequent angewendet werden
müssen - für und im Zweifelsfall auch gegen alle. Geschickt weitete
er den Begriff der Integration aus, indem er die Kluft zwischen Arm
und Reich, das Verhältnis zwischen Leistungsträgern und
Hilfsbedürftigen, aber auch den Umgang zwischen den Generationen
thematisierte. Er blieb dabei im Bild, als er forderte, den
Herausforderungen der Zukunft mit dem Geist der Wendezeit und dem
Selbstbewusstsein des wiedervereinigten Deutschland zu begegnen. Am
Ende stand eine Rede, die ein Fundament schaffte - für das Ansehen
dieses Bundespräsidenten, für eine neue Würde des Amtes und für die
Gestaltung der Zukunft in unserem Land. Nicht mehr, aber auch nicht
weniger
Originaltext: Westfalen-Blatt
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Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261
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