Börsen-Zeitung: XS-Minister Brüderle, Kommentar zum Herbstgutachten von Angela Wefers
Geschrieben am 14-10-2010 |
Frankfurt (ots) - Der Bundeswirtschaftsminister jubiliert: "Der
XL-Aufschwung geht weiter", frohlockte Rainer Brüderle (FDP), nachdem
die Wirtschaftsforschungsinstitute in Berlin ihr Herbstgutachten
präsentierten. Für 2010 haben die Forscher tatsächlich die
Wachstumserwartung im Vergleich zum Frühjahr auf 3,5% mehr als
verdoppelt. Zudem verkündeten sie die frohe Botschaft, dass die
Arbeitslosigkeit im Durchschnitt 2011 unter die Marke von drei
Millionen sinken wird.
Brüderle kennt - nicht überraschend, aber vorschnell - den
vermeintlichen Urheber dieser Entwicklung: die Bundesregierung mit
ihren Maßnahmen zur Wachstumsbeschleunigung. Hier irrt Brüderle.
Entweder hat er das Gutachten nicht vollständig gelesen oder leidet
zumindest unter der Schwäche selektiver Wahrnehmung. Die Belebung der
Konjunktur und deren positives Durchschlagen auf den Arbeitsmarkt ist
nicht Verdienst der aktuellen Regierung, sicher nicht der FDP. Die
rot-grüne Regierung war es, die mit den Reformen am Arbeitsmarkt und
in den Sozialsystemen entscheidende Strukturreformen angelegt hatte,
die sich heute auszahlen. Die große Koalition hat diesen Kurs
fortgesetzt - und mit konjunkturstützenden Maßnahmen die Krisenfolgen
gepuffert. Die amtierende Regierung ist indessen bisher mehr durch
Streit, denn durch konstruktive Politik aufgefallen.
Die Forscher prognostizieren zudem schon 2011 einen Dämpfer für
das Wachstum und warnen vor weltwirtschaftlichen Risiken wie der
wackeligen Konjunktur in den USA, überhitzten Immobilienmärkten in
China und der Schulden- und Vertrauenskrise in einigen Euro-Staaten.
Das klingt weniger nach "eXtra Large" oder "XL". Die deutsche
Wirtschaft ist gerade einmal dabei, den krisenbedingten
Produktionseinbruch wettzumachen.
Die Schuldenlast ist in Deutschland mit der Krise explodiert. Zu
Recht dringen die Forscher auf Abbau, denn überbordende
Kreditfinanzierung beschränkt nicht nur den Handlungsspielraum der
Politik, der Fall Griechenland steht auch für alle Länder als
Warnung, die sich finanziell für unverwundbar halten. Brüderle
plädiert - neben Konsolidierung - nur mit allgemeinen Worthülsen
dafür, Eingriffe in die Marktwirtschaft zurückzunehmen und
Eigenverantwortung zu stärken. Der Ideenreichtum aus dem
Wirtschaftsministerium verdient die Note XS - eXtra Small.
Originaltext: Börsen-Zeitung
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