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Börsen-Zeitung: Mehr als zwei "Sifis", Kommentar von Bernd Wittkowski zur Diskussion um die Systemrelevanz von Banken

Geschrieben am 01-11-2010

Frankfurt (ots) - Die Diskussion, welche Banken systemrelevant
sind und welche nicht, hat längst absurde Züge angenommen. Regulierer
und Regulierte scheinen insoweit die Ereignisse der vergangenen
dreieinhalb Jahre aus ihrem Gedächtnis gelöscht zu haben. Wie sonst
könnte man ernsthaft auf die Idee kommen, hierzulande gehörten allein
die Allianz und die Deutsche Bank zur Gruppe der weltweit angeblich
knapp drei Dutzend "Sifis" (Systemically Important Financial
Institutions)? Bisher soll ja unter den Aufsehern nur hinsichtlich
dieser beiden deutschen Häuser Konsens über ihre Einstufung als
systemrelevant bestehen. Auf der virtuellen Liste der Finanzkonzerne,
die man wegen der zu befürchtenden Folgewirkungen keinesfalls über
die Wupper gehen lassen darf, findet sich nach derzeitigem Stand
keine Commerzbank, keine Landesbank, keine genossenschaftliche
Zentralbank.

Schon vergessen, dass im Juli 2007 ein Institut namens IKB mit
einer vergleichsweise läppischen Bilanzsumme um die 50 Mrd. Euro
unbedingt aufgefangen werden musste, um nach offizieller Lesart die
schlimmste Bankenkrise seit 1931 abzuwenden? Und gut ein Jahr später
die Hypo Real Estate mit einer nicht ganz so läppischen Bilanzsumme?
Und die eine oder andere Landesbank? Wären sie alle nicht
systemrelevant gewesen, hätte man sie abwickeln können wie 80 andere
Klitschen seit Bestehen der Bundesrepublik zuvor. Was heißt denn
"systemrelevant"? Natürlich ist das nicht allein eine Frage der
Bilanzsumme, sondern vor allem ein Thema des gewichteten
Risikoexposures und der Verflechtung. Nach diesen Kriterien ist eine
Bank systemrelevant, wenn ihre Pleite geeignet erscheint, eine
Kettenreaktion auszulösen und andere mit in den Abgrund zu reißen. In
diesem Sinne kann auch eine Großsparkasse systemrelevant sein, zu
schweigen von einer Landesbank, für deren Rettung die Haftungsmittel
des Verbundes so wenig ausreichen wie jene der privaten
Einlagensicherung, um die Kunden des deutschen Ablegers von Lehman
Brothers zu entschädigen. Da kommen schnell weit mehr als nur zwei
Namen zusammen. Und dann werden diese vielen "Sifis" eben während
einer angemessenen Übergangszeit das zu definierende Zusatzkapital
aufbauen müssen. Wer an dieser Stelle faule Kompromisse einginge,
hätte aus den vergangenen dreieinhalb Jahren wirklich nichts gelernt
und würde den Grundstein für die nächste Krise legen.

(Börsen-Zeitung, 2.11.2010)

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
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Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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