Börsen-Zeitung: Wir retten den Euro zu Tode, Kommentar von Claus Döring zur Rettungsaktion für Irland
Geschrieben am 22-11-2010 |
Frankfurt (ots) - Inzwischen retten wir den Euro im
Halbjahresrhythmus. Im Frühjahr Griechenland, im Herbst Irland. Wann
folgen Portugal und Spanien? Jedes Mal stand angeblich die Zukunft
Eurolands auf dem Spiel. Das behaupten jedenfalls die
verantwortlichen Politiker, von Bundeskanzlerin Angela Merkel über
Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker bis hin zu Bundesfinanzminister
Wolfgang Schäuble. Damit streuen sie den Bürgern Eurolands Sand in
die Augen.
Falschbehauptung Nummer 1: Es gehe um die Stabilität des Euro.
Fakt ist, dass es sich nicht um eine Krise der Währung, sondern der
Staatsfinanzen handelt. Der Euro ist trotz der desolaten Verfassung
vieler öffentlicher Haushalte stabil. Sowohl im Frühjahr mit 1,20
Dollar als auch jetzt mit 1,36 Dollar notiert er deutlich über seinem
"inneren" Wert. Denn der Euro-Kurs spiegelt nicht nur die öffentliche
Verschuldung, sondern auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
seiner Mitgliedsländer wider.
Falschbehauptung Nummer 2: Die Märkte hätten mit einer Ausweitung
der Spreads die Refinanzierungsmöglichkeiten Irlands verschlechtert
und die Hilfe erzwungen. Fakt ist, dass für Irland aktuell keine
Refinanzierungen anstehen. Irland wurde die Hilfe des
Euro-Rettungsschirms aufgedrängt, von den anderen Peripheriestaaten
zum Hilfeersuchen genötigt.
Die für Ökonomen wenig überraschende Lehre: Das Angebot schafft
die Nachfrage. Ist ein 750-Mrd.-Rettungsschirm erst mal da, wird er
auch in Anspruch genommen. Dass allein die Existenz eines solch
gigantischen Schirms zur Beruhigung der Märkte ausreichen werde, wie
von der Bundesregierung im Mai beim Gesetzgebungsprozess versichert,
ist Falschbehauptung Nummer 3.
Irland müsse vor allem wegen des angeschlagenen Bankensektors
geholfen werden, ist Falschbehauptung Nummer 4. Den irischen
Bankensektor hat längst die europäische Zentralbank "gerettet", indem
sie als Handlanger der Regierungen staatsgarantierte Wertpapiere der
Banken aufkaufte. Diesen Fehltritt will EZB-Präsident Trichet jetzt
mit dem Weiterwälzen der Abschreibungsrisiken auf den Rettungsschirm
EFSF kaschieren.
Eines ist absehbar: Jeder Rettungseinsatz ohne Beteiligung der
Gläubiger und ausschließlich zulasten der Steuerzahler führt die
Währungsunion tiefer in die Krise. Wir werden den Euro noch zu Tode
retten.
(Börsen-Zeitung, 23.11.2010)
Originaltext: Börsen-Zeitung
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