Neue OZ: Kommentar zu Prozesse / Schifffahrt
Geschrieben am 22-11-2010 |
Osnabrück (ots) - Der Hauch des Abenteuers
Ein Seeräuber-Prozess in Deutschland? Was zunächst klingt wie die
abenteuerliche Erfindung eines Romanautors, ist seit gestern
Realität. Zehn Somalier müssen sich wegen des Kaperns eines Schiffes
vor Gericht behaupten. Wahrscheinlich ist, dass der Prozess schon
bald nichts Abenteuerliches mehr haben wird. Zunächst geht es um
Recht und Gesetz. Das Kapern eines Schiffes und die anschließende
Schießerei an Bord sind keine Kavaliersdelikte. Den Angeklagten
drohen hohe Haftstrafen.
Allerdings wird das Gericht die Lebensumstände der mutmaßlichen
Täter ausleuchten - und sie im Urteil wahrscheinlich berücksichtigen.
Dabei könnte ein Bild entstehen, das nichts zu tun hat mit den
Fantasien von Romanautoren. Somalia ist ein Land ohne Regierung, in
dem Menschen oft genug ums Überleben kämpfen. Noch wissen wir wenig
über die Hintergründe der Angeklagten. Wahrscheinlich haben ihre
Geschichten aber viel mit der Armut am Horn von Afrika zu tun. So
könnte der Prozess das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die
Probleme der Region schärfen. Das wäre der erfreuliche Effekt eines
Verfahrens, das ansonsten völker- und strafrechtlich ziemlich
umstritten ist. Viele werden für die Angeklagten ohnehin schon jetzt
auch dies empfinden: Mitleid.
Originaltext: Neue Osnabrücker Zeitung
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