WAZ: Benedikt, der Mensch - Kommentar von Walter Bau
Geschrieben am 23-11-2010 |
Essen (ots) - Über fünf Jahre hatte sich Benedikt XVI. im Vatikan
verschanzt. Sicher, er ist durch die Welt gereist, nach Köln und
Regensburg, nach London und Barcelona. Aber gedanklich hat es der
deutsche Papst nie wirklich geschafft, die Mauer zwischen Amtskirche
und Gläubigen zu überwinden. Seine professoralen Reden erreichten
kaum einmal die Herzen der Katholiken. Stattdessen verprellte er mit
seiner sturen Haltung, etwa im Fall der Piusbrüder, selbst jene, die
ihm wohlgesonnen waren. Nun scheint Benedikt eingesehen zu haben,
dass auch ein Papst PR braucht. Und weil er nicht das Charisma seines
Vorgängers Johannes Paul II. besitzt, weil er nicht durch die Kraft
seiner Stimme und seines Auftretens Menschen für sich einnimmt,
braucht er dafür einen Mittler. Peter Seewalds Interview-Buch stellt
nicht zufällig den Menschen Joseph Ratzinger in den Mittelpunkt. Doch
die PR-Offensive in eigener Sache ist riskant. Johannes Paul II.
wurde nicht zuletzt deshalb so verehrt, weil er authentisch war, sich
nicht verstellte. Benedikt aber ist kein volksnaher Menschenfischer.
Er muss sich ändern, ohne sich dabei selbst zu verleugnen. Eine
Gratwanderung.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
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