Westdeutsche Zeitung: Hohe Abzüge machen Teilzeitarbeit häufig unattraktiv Steuersenkung - warum eigentlich nicht? Ein Kommentar von Martin Vogler =
Geschrieben am 26-11-2010 |
Düsseldorf (ots) - Häufig sind Gesetze gut gedacht, bergen aber im
Alltag Tücken. Das scheint auch die Aussage der Bertelsmann-Stiftung
zu sein. Laut deren Studie rechnet sich für Zweitverdiener und
Alleinerziehende Teilzeit-Arbeit wegen unseres Steuerrechts kaum. Das
ist persönlich bitter und klingt ungerecht.
Aber es lohnt, etwas genauer hinzuschauen. Denn zum Beispiel nach
einer Elternpause ist eine Teilzeitarbeit häufig wegen der Kinder und
des Arbeitsmarkts ein erster, notwendiger Schritt zurück zu einer
vielleicht folgenden Karriere. Wer hingegen nur auf die aktuelle
finanzielle Situation schielt und deshalb lieber zu Hause bleibt,
verbaut sich Perspektiven und tut zu wenig für seine Rentenbiografie.
Auch wenn angesichts der Zahlen auf dem Konto die Motivation schwer
fällt, ist also eine Erwerbstätigkeit stets besser.
Einen Sonderfall stellt die Minijob-Regelung dar. Diese ist
sicherlich vom Gesetzgeber auch gut gemeint, birgt jedoch bei
Überschreiten der 400-Euro-Grenze tatsächlich die Falle, dass netto
weniger übrig bleibt, als wenn man nicht so viel arbeitet. Da ist es
verständlich, wenn spätestens ab 399 Euro Einnahmen der Fleiß
erlahmt. Die Forderung: Die Schwächen des Minijob-Modells müssen per
Gesetz geändert werden. Sogar dessen Abschaffung ist denkbar. Ein
vernünftig gestalteter Freibetrag für geringfügig Beschäftigte
hingegen könnte sinnvoll sein.
Beim Steuerrecht insgesamt sollte man hingegen mit radikalen
Eingriffen zurückhaltend sein. Natürlich ist es demotivierend, wenn
Zweitverdienern in Teilzeit relativ wenig übrig bleibt. Was vor allem
so ist, wenn der Ehepartner ein sehr hohes Einkommen hat. Doch wer an
dieser Stellschraube dreht, der stellt das Ehegattensplitting
grundsätzlich in Frage. Er würde also einen von den meisten Bürgern
nicht gewollten Paradigmenwechsel anstoßen, mit all seinen
gesellschaftlichen Folgen.
Auch den Zweitverdienern würde übrigens eine Maßnahme helfen, die
in der aktuellen politischen Diskussion leider stigmatisiert scheint:
eine generelle Steuersenkung. Angesichts der erstarkenden Konjunktur
wäre diese - verbunden mit einem sparsam mit unserem Geld umgehenden
Staat - möglich und wirtschaftlich hilfreich. Man sollte das
zumindest vorurteilsfrei prüfen.
Originaltext: Westdeutsche Zeitung
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