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Ärzte verkaufen immer mehr Privatleistungen an gesetzlich Krankenversicherte / Jede siebte Privat-Leistung ohne Rechnung

Geschrieben am 08-12-2010

Berlin (ots) - Niedergelassene Ärzte verkaufen immer mehr private
Leistungen an gesetzlich Krankenversicherte. Inzwischen wird mehr als
jedem vierten Versicherten (28,3 %) binnen Jahresfrist eine
medizinische Leistung auf Privatrechnung verkauft, die
Zusatzeinnahmen der Ärzte bei der Behandlung von gesetzlich
Krankenversicherten sind damit auf rd. 1,5 Mrd. Euro im Jahr
angewachsen. Die geforderte schriftliche Vereinbarung von
Privatleistungen an gesetzlich Krankenversicherte unterblieb in 54,4
Prozent der Fälle, die Einnahmen für jede siebte Privatleistung
entstanden sogar ohne Rechnung. Dies ist ein Ergebnis des aktuellen
WIdOmonitors, einer repräsentativen bundesweiten Befragung von 2.500
GKV-Versicherten, die das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO)
am Mittwoch in Berlin vorstellte.

Die weitere Analyse ergibt, dass in der Arztpraxis privat zu
zahlende Zusatzleistungen, auch als Individuelle
Gesundheitsleistungen (IGeL) bezeichnet, vor allem Patienten
angeboten werden, die über ein höheres Einkommen verfügen.
WIdO-Geschäftsführer Jürgen Klauber: "Ärzte werden offenbar auch als
Verkäufer immer besser." Nach Aussage der Patienten ging die
Initiative für IGeL meistens vom Arzt aus. Von den Befragten geben
rd. drei Viertel an, nicht von sich aus nach einer solchen Leistung
gefragt zu haben. Lediglich 28,9 % der Interviewten bejahen dies.

Während in der unteren Einkommensgruppe (unter 1.000 Euro) nur
jeder Sechste (16,9 %) Privatleistungen angeboten bekam, berichtet
bei Einkommen über 4.000 Euro mehr als ein Drittel (38,8 %) der
befragten Versicherten über entsprechende Erfahrungen in der
Arztpraxis. Die meisten IGeL-Angebote entfallen laut WIdO-Analyse auf
Ultraschalluntersuchungen (Sonografien) (20 %), gefolgt von
Glaukomvorsorgeuntersuchungen (16,2 %) und Verordnungen von
Medikamenten oder Heil- und Hilfsmittel (11,5 %). Auf diese drei
Leistungsgruppen entfällt fast die Hälfte aller IGeL-Angebote.

Dabei bietet die Ärzteschaft private Zusatzleistungen mit
unterschiedlicher Intensität an. An der Spitze liegen Augenärzte und
Gynäkologen, sie bieten im Mittel 6- bis 7-Mal so häufig wie
Allgemeinmediziner IGeL an. Es folgen Urologen, die fünfmal so häufig
private Zusatzleistungen anbieten sowie Orthopäden und Hautärzte mit
rd. dem vierfachen Angebot im Vergleich zum Durchschnitt der
Allgemeinmediziner.

Besonders kritisch ist diese Entwicklung nach Ansicht von Dr. med.
Gerhard Schillinger vom AOK-Bundesverband auch deshalb zu sehen, weil
die Krankenkassen alles bezahlen, was einen nachgewiesenen Nutzen hat
und medizinisch notwendig ist. Ärzte stellen zudem häufig auch
Leistungen als "Individuelle Gesundheitsleistungen" in Rechnung, die
eigentlich Standardleistungen der gesetzlichen Krankenkassen sind,
für die deshalb niemand zusätzlich bezahlen muss. Das gilt zum
Beispiel für medizinisch notwendige Ultraschalluntersuchungen oder
das Hautkrebsscreening. Viele angebotene IGe-Leistungen sind nicht
nur unnötig, sondern können auch problematisch sein. Die AOK bietet
daher im Netz ihren IGeL- Ratgeber und Entscheidungshilfen z.B. bei
der Frage, ob man die IGe-Leistung der PSA-Bestimmung kaufen sollte.
http://www.aok.de/bundesweit/gesundheit/ige-leistungen-2491.php und:
http://www.aok.de/bund/psa/content/

Die rechtlichen Vorgaben zur Vereinbarung und Berechnung von
Selbstzahlerleistungen für diese "Individuellen
Gesundheitsleistungen" werden nicht einmal in der Hälfte aller Fälle
korrekt eingehalten. So muss der GKV-Versicherte - wenn es rechtlich
korrekt zugehen würde - bei der Inanspruchnahme individueller
Gesundheitsleistungen vor Behandlungsbeginn schriftlich bestätigen,
dass er ausdrücklich verlangt, auf eigene Kosten behandelt zu werden.
Ebenso muss der Patient eine Rechnung über die erbrachte
Privatleistung erhalten, die detailliert die Leistungsbestandteile
und deren Preis nennt. Die schriftliche Vereinbarung erfolgte nach
Aussage der Befragten jedoch lediglich in 45,6 % der Fälle, 14,5 %
geben an, keine Rechnung erhalten zu haben.

Die Analysen zeigten auch, dass der IGeL-Markt das
Arzt-Patienten-Verhältnis belaste, so Klaus Zok, Studienleiter im
WIdO. Drei Viertel der befragten Patienten (76,9%) befürchten eine
Verschlechterung des Vertrauensverhältnisses zum Arzt, nur 17,9 %
erwarten eine Verbesserung der Arzt-Patienten-Beziehung.

Mehr Infos im Internet:

Der WIdOmonitor 2/2010 steht unter
http://www.wido.de/wido_monitor_2_2010.html mit allen Ergebnissen zum
Download bereit.

Originaltext: Wissenschaftliches Institut der AOK
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/32063
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_32063.rss2

Pressekontakt:
Wissenschaftliches Institut der AOK, Klaus Zok
Tel.: 030/34646-2134
Fax: 030/34646-2144
E-Mail: wido@wido.bv.aok.de


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