Westdeutsche Zeitung: Klage über Milde für Steuerbetrüger ist nur zum Teil berechtigt = von Martin Vogler
Geschrieben am 08-12-2010 |
Düsseldorf (ots) - Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt.
Und dennoch tun es viele. Wer in der Steuererklärung beim Weg zur
Arbeit zwei Kilometer hinzuschummelt, oder den ausschließlich privat
genutzten Computer als Arbeitswerkzeug deklariert, tut im Prinzip
nichts anderes als der Wohlhabende, der sein Geld im Ausland anlegt
und die Zinseinnahmen in seiner Steuererklärung "vergisst": Die
großen und die kleinen Sünder wollen dem Staat Geld vorenthalten, nur
die Beträge sind unterschiedlich hoch. Diese selbstkritische
Relativierung ist angebracht, wenn man kritisiert, dass die Regierung
weiterhin zu verständnisvoll mit Steuerbetrügern umgehe. Allerdings
ist die Koalition in der Tat sehr milde und lädt zum Risikospiel ein:
Der Sünder versteuert seine Einnahmen einfach nicht. Wenn er Glück
hat, geht es gut. Wenn ihn hingegen irgendwann ein mulmiges Gefühl
beschleicht, etwa, weil die deutsche Fahndung CDs aus Liechtenstein
oder der Schweiz kauft, auf denen kompromittierende Informationen
über den Betrüger sein könnten, empfindet er urplötzlich tiefe Reue
und zeigt sich selbst an. Tut er das schnell genug, muss er lediglich
die hinterzogenen Steuern einschließlich sechs Prozent Zinsen
nachzahlen. Das kann sein Kapital fast komplett aufzehren, tut aber
nicht so weh wie eine Strafverfolgung. Lediglich diese schonende Art
der Selbstanzeige wird jetzt ein wenig erschwert. So muss der Sünder
künftig alle unvollständigen Angaben von sich aus ergänzen
beziehungsweise nachholen, um straffrei zu bleiben. Aber sollte das
nicht selbstverständlich sein? Die Koalition wird sich folglich noch
viel Kritik an ihrem als halbherzig bezeichneten Vorhaben anhören
müssen. Außerdem sollte sie die Forderung der Steuergewerkschaft nach
einer Bundessteuerfahndung prüfen. Dies könnte möglicherweise
effektiver als Länderbehörden agieren. Das beste Mittel gegen
Steuerhinterziehung wäre allerdings nicht die juristische Verfolgung,
sondern die wachsende Einsicht der Bürger, dass ihre Abgaben zum
Existieren der Gemeinschaft benötigt werden. Voraussetzung dafür sind
ein nachvollziehbares und sinnvoll erscheinendes Ausgabeverhalten des
Staates und ein transparentes Steuerrecht, das sogenannte
Steuerverkürzungen unattraktiv macht. Doch bis dahin ist es ein
weiter Weg.
Originaltext: Westdeutsche Zeitung
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