Westdeutsche Zeitung: Nobelpreis wirft Schlaglicht auf die Menschenreche in China - Der leere Stuhl in Oslo ist eine Mahnung Ein Kommentar von Anja Clemens-Smicek =
Geschrieben am 10-12-2010 |
Düsseldorf (ots) - Der Tag der Menschenrechte war gestern ein
schwarzer Tag. Zum zweiten Mal nach dem Ausreiseverbot des
Nazi-Regimes gegen den deutschen Pazifisten Carl von Ossietzky 1936
durften weder der Träger des Friedensnobelpreises noch ein
Familienangehöriger die hohe Ehrung persönlich in Empfang nehmen. Liu
Xiaobos Stuhl in Oslo blieb leer. Doch die aufstrebende Großmacht
China hat sich mit ihrer Weigerung, den Literaten aus der Haft zu
entlassen, einen Bärendienst erwiesen. Es ist ihr nicht gelungen, die
internationale Staatengemeinschaft durch politischen Druck zu spalten
und die Verleihung zu sabotieren. Geehrt wurde ihr Staatsbürger
trotzdem - in Abwesenheit und damit symbolisch für unzählige weitere
Bürgerrechtler, die in chinesischen Gefängnissen und
Umerziehungslagern sitzen.
Das Nobel-Komitee verbindet mit der Vergabe des Preises stets eine
politische Botschaft, die gerade in totalitären Staaten als Angriff
auf ihr System verstanden wird. In diesem Jahr wirft der
Friedensnobelpreis ein Schlaglicht auf die Menschenrechtssituation in
China, die sich seit den Olympischen Spielen 2008 stetig
verschlechtert hat. Die Medienkontrolle wurde verschärft, Dissidenten
wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.
Mit seiner unverhältnismäßigen Reaktion auf die Auszeichnung an
Liu Xiaobo hat China der Weltöffentlichkeit einmal mehr bewiesen,
dass es nicht würdig ist, im Kanon der Weltmächte mitzuspielen - auch
wenn es sich mit dem Titel der zweitstärksten Wirtschaftsmacht der
Erde schmückt. Denn wenn es um politische Reformen und die Achtung
der Menschenrechte geht, ist China Entwicklungsland.
Sicher, letztlich wird sich die autoritäre Führung nicht
beeindrucken lassen - weder von Preisvergaben noch von weltweiten
Protesten oder politischen Appellen. Auch der Dalai Lama hatte einst
die Ehrung erhalten, auf politische Fortschritte in China wartete man
aber vergebens. Trotzdem hat der Preis an Liu Xiaobo der
Demokratiebewegung, die seit dem Blutbad auf dem Platz des
Himmlischen Friedens weitgehend brachlag, neues Leben eingehaucht.
Wie meinte doch der neue Friedensnobelpreisträger in seinem Prozess
vor einem Jahr: "Es gibt keine Macht, die das Streben der Menschen
nach Freiheit stoppen kann.
Originaltext: Westdeutsche Zeitung
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