Mediengipfel 2010: Ungarn präzisiert in Lech die Schwerpunkte seines EU Vorsitzes
Geschrieben am 11-12-2010 |
Lech/Zürs (ots) - Nach dem erfolgreichen Auftakt u.a. mit dem
deutschen Intellektuellen Hans Magnus Enzensberger definierte der
ungarische Staatssekretär Gergely Pröhle beim Mediengipfel in Lech im
Rahmen einer spannenden Podiumsdiskussion führender internationaler
Auslandskorrespondenten die Stoßrichtungen seines Landes für den
Vorsitz in der ersten Jahreshälfte 2011. Den Abschluss fand die
hochkarätig besetze Veranstaltungsreihe am Samstag mit einem
exklusiven Pressebrunch mit Österreichs Außenminister Michael
Spindelegger.
Unter der Leitung der ARD-Korrespondentin Susanne Glass
diskutierten Freitag Abend mit dem ungarischen Staatssekretär Gergely
Pröhle u.a. Charles Ritterband (NZZ) , Michael Frank (Süddeutsche
Zeitung), Pierre Feuilly (AFP Wien), der Schauspieler Alexander
Goebel, sowie der niederländische Korrespondent in Berlin, Laurens
Boven. Der ungarische EU-Vorsitz werde ab Jänner insbesondere Fragen
der Energiesicherheit, der Erweiterung, der Donaustrategie und der
östlichen Partnerschaft in den Mittelpunkt stellen, erklärte Pröhle
in Lech. Ungarn habe im Gegensatz zu manchen anderen EU-Staaten eine
stabile Regierung, merkte Pröhle in der Diskussion mit den
Auslandskorrespondenten an. Diese Stabilität werde Budapest
einsetzen, um in der EU als ehrlicher Makler zu agieren. Insgesamt,
so betonte Pröhle, sei die Erweiterung der EU ein zentrales Anliegen.
Die europäische Politik müsse den Fokus auf die weitere
Stabilisierung des Westbalkans legen. Zudem müsse man sich innerhalb
der europäischen Union klar überlegen, was an den Außengrenzen
geschehe. Pröhle ließ in Lech durchblicken, dass es im Rahmen des
ungarischen EU Vorsitzes dazu auch einen Gipfel der Staats- und
Regierungschefs geben könnte. Dabei sollte es um die östlichen
Partnerschaften der EU mit Ländern wie der Ukraine, Georgien oder der
Republik Moldau gehen. Kritische Fragen zur innenpolitischen
Situation in Ungarn kommentierte Pröhle in Lech ebenso. Kritik am
geplanten ungarischen Mediengesetz, bei dem eine Behörde auch über
die unabhängigen Medien wachen soll, ließ der Staatssekretär dabei
nicht gelten. In diesem Zusammenhang bestünden "zahlreiche
Missverständnisse". Zudem sei das Gesetz noch nicht beschlossen, zum
anderen existierten auch in anderen europäischen Ländern
vergleichbare Regelungen. "Die Rechtsstaatlichkeit bröckelt nicht",
erklärte Pröhle. Es gäbe dadurch auch keine Beeinträchtigung des
ungarischen EU-Vorsitzes oder der europäischen Werte.
Angesichts der gegenwärtigen Krisen in Europa plädierte Frank in
Summe für mehr Gelassenheit. Die EU habe eine stürmische Kindheit mit
starkem Wachstum hinter sich und sei jetzt in der Pubertät gelandet.
"Mit dieser Phase muss man nun im europäischen Geist umgehen lernen",
betonte Frank. Das brauche einerseits klare gemeinsame Spielregeln,
aber auch das Verständnis, dass die Vielfalt Europas eine große
Tugend sei. Boven zeigte im Rahmen der Diskussion deutlich auf, dass
durch die Wirtschaftskrise Staaten wie Deutschland derzeit
profitieren würden. Die Solidarität und das Verständnis der Bürger in
Europa für Länder wie Griechenland und Irland seien aber endlich.
Boven stellte in diesem Zusammenhang die Frage: "Sollte man solche
Länder bankrott gehen lassen?" Die europäische Politik habe enorme
Kommunikationsprobleme, stellte Goebel fest. Die positiven
Entwicklungen müssten an die Bevölkerung mit Emotion vermittelt
werden. Dabei könnten gerade die europäischen Kulturschaffenden einen
enormen Beitrag leisten und als Übersetzer fungieren. In eine
ähnliche Kerbe schlug Feuilly, in dem er feststellte, dass die Bürger
enorm weit von Europa entfernt seien. Und auch große europäische
Nationen würden aktuell wieder mehr nach eigenen nationalen
Interessen vorgehen und europäische Interessen nach hinten reihen.
Einig zeigten sich die Auslandskorrespondenten in der Frage, dass man
in Europa klare Regeln für Mitglieder brauche, die allzu oft nicht
mit der Wahrheit operieren. Im Vertrag von Lissabon sei kein
Verfahren geregelt, wie man Länder auch wieder aus der Gemeinschaft
ausschließen könne. Für Ritterband ist der Prozess der europäischen
Einigung ein "umgekehrter Turmbau zu Babel". Aus unterschiedlichsten
Kulturen kommend habe man zwar ein stabiles Bauwerk geschaffen, das
zu Frieden und Wohlstand beigetragen habe. Nun werde der Turm aber
für viele zu hoch. Die kritische Frage sei, ob man in zu kurzer Zeit
zu viele Länder nach Europa holt?
Ein leidenschaftliches Plädoyer für den europäischen
Einigungsprozess hingegen hielt Österreichs Außenminister Michael
Spindelegger beim Pressebrunch Samstagvormittag im *****Superior
Hotel Aurelio in Lech. "Wir dürfen uns vom europäischen Weg nicht
abbringen lassen." Die Krisenbewältigung in Europa sei
erfolgversprechend, dazu trage auch eine stärkere und koordinierte
Wirtschaftsaußenpolitik bei. Natürlich müsse man laufend
weiterlernen, wie 27 Länder miteinander agieren können. Wo die
Grenzen Europas im Sinne der fortschreitenden Erweiterung verlaufen,
könne man derzeit noch nicht abschätzen. "Rein geographisch ist das
nicht zu beurteilen, aktuelle Integrationsbestrebungen sind als
Prozess zu betrachten. Europa ist jedenfalls nicht vollständig ohne
die Länder des Westbalkans." Das sei auch zuletzt bei der
Balkankonferenz in Berlin, von der Spindelegger direkt nach Lech kam,
deutlich geworden. Die Erweiterung brauche aber eine andere
Kommunikation, die viel deutlicher die positiven Auswirkungen zeige.
In Österreich habe man dazu eine neue Initiative gesetzt. In rund 200
Gemeinden gäbe es mittlerweile sogenannte Europagemeinderäte, die
eine stärkere regionale und lokale Verankerung des europäischen
Gedankens unterstützen können. Spindelegger appellierte in Lech für
eine wachsende Europäische Gemeinschaft, die aber auch gemeinsame
Werte noch stärker in den Vordergrund stellen sollte. Derzeit
konzentriere man sich angesichts der Herausforderungen stark auf koordinierte Außen- und Wirtschaftspolitik, doch auch ein gemeinsamer
Wertekatalog sei wichtig. Wer gegen zentrale europäische Werte
verstoße, müsse mit Widerstand rechnen. Spindelegger überzeugt: "Das
hat Wirkung, wenn man auf europäischer Ebene scharf kritisiert wird!"
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