(Registrieren)

Börsen-Zeitung: Gan bei! Gan bei! Kommentar zum Jahresschluss von Claus Döring

Geschrieben am 30-12-2010

Frankfurt (ots) - Champagnerlaune überall. Jedenfalls in
Deutschland. Das Jahr 2010 endet mit einem Wirtschaftswachstum von
vermutlich 3,7%, die Zahl der registrierten Arbeitslosen liegt unter
3 Millionen, die Beschäftigung mit 41 Millionen auf Rekordhöhe. Die
deutsche Industrie meldet Kapazitätsauslastungen und Auftragsbestände
wie lange nicht mehr, die Gewinne sprudeln. Dank robuster
Innenfinanzierungskraft ist der Begriff "Kreditklemme" aus dem
Unternehmensvokabular verschwunden.

Die schnelle Erholung der sogenannten Realwirtschaft hat den
Banken beim mühsamen Aufstieg aus tiefem Tal geholfen und neue
Belastungen vermieden. Alte Belastungen wurden aus den Büchern
genommen und - zumindest hierzulande - so geschickt umverteilt, dass
der Steuerzahler es erst in späteren Jahren spüren wird. Am
Eigenkapitalmarkt hat der Dax im zweiten Jahr in Folge zweistellig
zugelegt und die meisten anderen Aktienmärkte westlicher
Industriestaaten geschlagen. Der innere wie auch der äußere Wert des
Euro ist stabil und die im Jahresvergleich leichte Abwertung von 10%
gegenüber dem Dollar eine willkommene Unterstützung der deutschen
Exportwirtschaft.

Genießen wir den Moment, denn der Wermutstropfen im Glas der
Freude ist abzusehen: 2011 wird nicht mehr so prickelnd. Das Wachstum
in Deutschland, aber auch weltweit, wird sich abschwächen. Die Kosten
für Arbeit und Kapital werden steigen, die Margen schrumpfen, der
binnenwirtschaftliche Boom läuft langsam aus. Die Risiken werden
größer. Denn die Wachstumstreiber sind neben dem Inland nur wenige
Auslandsmärkte. Die Wirkung der von den Regierungen und Notenbanken
verabreichten Drogen in Form von billigem Geld und
Konjunkturprogrammen wird nachlassen. In den USA mögen die
Steuersenkungen konjunkturell noch über die erste Jahreshälfte 2011
hinwegretten. Doch irgendwann kommt der Entzug, helfen auch die
stärksten staatlichen Dopingmittel nicht mehr, zumal sie auch
finanziert werden müssen. Schon heute ist die Staatsverschuldung in
den USA ein viel gravierenderes Problem als in Europa. Die Aufregung
um den Euro, oder besser: um die Staatsfinanzen in einigen
Euro-Ländern, hat davon abgelenkt.

Parallel dazu hat die Abhängigkeit der kapitalistischen USA von
ihrem Finanzier, dem kommunistischen China, eine beunruhigende
Größenordnung angenommen. Der vor zwei Jahren verstorbene
amerikanische Politikwissenschaftler Samuel P. Huntington hat mit
seiner Theorie vom "Clash of Civilizations" eine Konfrontation der
beiden Weltmächte zwar prognostiziert, die ökonomische Komponente
aber weit unterschätzt. Dass sich der "Clash" bisher eher auf
Nebenschauplätzen wie der Friedensnobelpreisverleihung und nicht auf
dem Devisenmarkt abspielt, ist der mit zunehmendem Schuldenstand
überproportional wachsenden Abhängigkeit des Gläubigers vom Schuldner
zu verdanken.

Die angestrebte Diversifizierung der chinesischen Devisenreserven
wird dem Euro, vielleicht sogar einzelnen Euro-Ländern, kurzfristig
helfen. Langfristig wird die Gemeinschaftswährung sich neben dem
Dollar als Reservewährung nur behaupten, wenn die Stabilitätskultur
erhalten bleibt und vertrauenswürdige, von der Tagespolitik
unabhängige Institutionen über den Wert des Euro wachen.

Vom Erfolg der Währungsunion wird abhängen, ob Europa politisch
und ökonomisch in der multipolaren Weltordnung von morgen noch eine
Rolle spielt. Am meisten steht dabei für Deutschland auf dem Spiel,
denn es profitiert vom Asien-Boom wie kein anderes Land in Europa -
weil deutsche Produkte in China so gefragt sind, deutsche Unternehmen
so nachhaltig Geschäftsbeziehungen pflegen und Deutschland
geopolitisch so unbedeutend ist. Stoßen wir darauf an: Gan bei! Und
vergessen wir nicht, dass man im Sinne des eigenen Wohlergehens bei
diesem "Prost" gegenüber Chinesen sich in Vorsicht üben sollte. Denn
es heißt zugleich: Leere das Glas!



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

308584

weitere Artikel:
  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Wirtschaftsprognosen Bielefeld (ots) - Was bringt uns das Jahr 2011? Wachstum? Mehr Jobs? Eine tarifliche Lohnerhöhung? Oder stürzt uns die EU-Schuldenkrise ins Chaos? Eine Glaskugel hat niemand. Aber es gibt Wirtschaftsforscher. Ihre Aufgabe ist es, Politikern, Unternehmern, Lobbyisten sowie auch uns Normalbürgern ein Stück Orientierung zu geben. Ihre Prognosen dienen dazu, auf bestimmte Entwicklungen vorbereitet zu sein. Soweit die Theorie. Nun zur Praxis. Die Vergangenheit hat gelehrt, dass Prognosen oft nicht das Papier Wert sind, auf dem sie verfasst mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu Außenhandel / Jahreswechsel Osnabrück (ots) - Die nächste Krise kommt Erstaunlich: Trotz Schuldenkrise in Europa, trotz hoher Arbeitslosigkeit in den USA und trotz Facharbeitermangel in Deutschland erwartet die Bundesrepublik das beste Exportergebnis ihrer Geschichte. Die Bilanz könnte im nächsten Jahr sogar die Billionen-Euro-Grenze übersteigen. Eine Zahl, die selbst dann nicht erreicht wurde, als Deutschland noch Exportweltmeister war - bevor es den Titel an die Chinesen abtreten musste. Die aktuelle Prognose ist in jedem Fall ein eindrucksvolles mehr...

  • KMWorld zeichnet Raytion Enterprise-Search-Konnektoren als "Trend Setting Products" für 2010 aus Düsseldorf (ots) - Raytion, eine international tätige IT-Unternehmensberatung, wurde zum zweiten Mal von KMWorld für Innovationen im Bereich Informationsmanagement ausgezeichnet. Dieses Mal wurden die Raytion Enterprise-Search-Konnektoren von KMWorld als "Trend Setting Products" für 2010 ausgewählt. Die Raytion Enterprise-Search-Konnektoren ergänzen die Suchtechnologien der maßgeblichen Suchmaschinenhersteller und ermöglichen die sichere Suche nach relevanten Informationen in geschäftskritischen Informationssystemen. mehr...

  • Mittelbayerische Zeitung: Kommentar Börsenjahr 2010 Regensburg (ots) - Zum Kreis der Unternehmer, die auf ein erfolgreiches Jahr anstoßen können, gesellt sich auch 2010 ein munteres Grüppchen: die Kleinaktionäre. Nach einem guten Börsenjahr 2009 wurde auch heuer belohnt, wer zu Jahresbeginn in die deutsche Wirtschaft investierte: 25 Prozent Kursgewinn (Krones), 80 Prozent (BMW), ja eine Verdoppelung des Kapitals war möglich - etwa, wer am Erfolg der Rodinger Mühlbauer AG mitverdiente. Das Geld war zwar nicht gerade risikolos verdient: Ein Loch im Euro-Rettungsschirm, eine Naturkatastrophe, mehr...

  • ANZ startet Barofferte für alle seine ausstehenden Anleihen eines bestimmten Typs Melbourne, Australien (ots/PRNewswire) - Australia and New Zealand Banking Group Limited (das "Unternehmen"), einer der grössten Bank- und Finanzkonzerne Australiens, gab heute die Einleitung einer Barofferte (die "Offerte") für den Kauf sämtlicher seiner am 15. Dezember 2011 fälligen 3,20%-igen vorrangigen Commonwealth-verbürgten Anleihen (die "Anleihen") bekannt. Weitere Bedingungen der Offerte sind im Kaufangebot vom 30. Dezember 2010 (das "Kaufangebot") sowie dem zugehörigen Begleitschreiben (das "Begleitschreiben") festgelegt. Das mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Wirtschaftsnews

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

DBV löst Berechtigungsscheine von knapp 344 Mio. EUR ein

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht