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Insolvenzfall Reuss deckt Systemfehler auf / GSV fordert konsequentes Umdenken in der Insolvenzordnung, bei Kontrolle und Vergütung der Verwalter

Geschrieben am 14-01-2011

Köln (ots) - Der aktuelle Fall des insolventen Insolvenzverwalters
Bernd Reuss, aus Friedberg bei Frankfurt am Main, löst bei allen
Beteiligten Hohn und Spott aus. Wie kann es angehen, dass ein
Insolvenzverwalter selbst Insolvenz anmelden muss? Die
Gläubigerschutzvereinigung Deutschland e. V. (GSV) mahnt in diesem
Zusammenhang dringend erforderliche Anpassungen der Insolvenzordnung
an, sonst drohen weitere Pleiten in der verwaltenden Zunft und
infolgedessen mehr Gläubiger ohne Quote.

Mit der aktuellen Insolvenz der Kanzlei Reuss, in der neben der
Privatperson Bernd Reuss auch sein Firmenkonglomerat mit insgesamt
sieben Gesellschaften involviert ist, wird der Wirtschaft ein neuer
spektakulärer Fall beschert. Reuss war in der Vergangenheit durch
hohe Honorarforderungen, z. B. bei der Betreuung der
Teldafax-Insolvenz, aufgefallen. Umso weniger verständlich ist für
viele seine eigene Insolvenzanmeldung - galt Reuss doch als
Gutverdiener in der Branche. Nun ist er selbst an der Reihe, und
Schadenfreude überwiegt in vielen Kommentaren.

Prof. Dr. Hans Haarmeyer, Vorstandsvorsitzender des GSV (
http://www.gsv.eu ) und einer der führenden Insolvenzrechtsexperten
Deutschlands, sagt dazu: "Die Wenigsten sehen die wirkliche
Problematik, die hinter diesem Fall steckt: Denn obwohl bereits seit
Monaten öffentlich über seltsame Entwicklungen in der Kanzlei
berichtet wird und sich der Großteil der Belegschaft bereits vom
sinkenden Schiff machte, ließ das Amtsgericht den Verwalter ohne eine
Sonderprüfung weiter gewähren. Letztendlich zeigt dieser Fall das
völlige Versagen gerichtlicher Aufsicht und das Fehlen einer
risikoorientierten Kontrolle."

Kaum nachvollziehbar, dass in Not geratene Verwalter
offensichtlich weiterhin mandatiert werden, obwohl deren zwingend
notwendige Unabhängigkeit zu diesem Zeitpunkt längst ad absurdum
geführt ist. Der GSV fordert deshalb, dass Insolvenzverwalter
hinsichtlich ihrer Vermögensverhältnisse offenbarungspflichtig sein
müssen und zumindest jährlich eine Schufa-Selbstauskunft sowie einen
Bonitätsausweis zu erbringen haben. "Verwalter sollten schon vor
ihrer Aufnahme in eine Vorauswahlliste offen legen, wem gegenüber sie
finanziell verpflichtet sind und in welchem Umfang, bevor man ihnen
Zugang zur Verwaltung fremden Vermögens gewährt. Alles andere ist
doch unverantwortlich!", so Haarmeyer.

Wer z. B. selbst Banken verpflichtet ist, wird gegenüber solchen
Instituten im Insolvenzverfahren anders agieren als ein finanziell
unabhängiger Verwalter. Gleichzeitig ist der Gesetzgeber gefordert,
ein Verbot für Insolvenzverwalter zu normieren, nach dem es strikt
untersagt ist, Aufträge innerhalb eines Verfahrens an beteiligte
Unternehmen zu vergeben. Immerhin ist der Insolvenzverwalter der
(Vermögens-)Treuhänder der am jeweiligen Insolvenzverfahren
beteiligten Gläubiger. Seine wesentliche und gesetzlich vorgesehene
Aufgabe ist es, die vom Gericht beauftragte Sicherung des
Unternehmensvermögens zum Zwecke der bestmöglichen Quote
durchzuführen.

Der Fall Reuss zeigt zudem nicht nur, dass das insolvenzrechtliche
System bei Auswahl und Kontrolle versagt, sondern auch, dass bei der
Vergütungsfestsetzung eklatante systembedingte Schwächen vorhanden
sind. Es ist nachweisbar, dass die geltende Vergütungsordnung eine
völlige Überhöhung der Ansprüche ebenso zulässt, wie sie die
kostendeckende Abwicklung geringvolumiger Verfahren nicht ermöglicht.
Daher sehen Insider im Fall Reuss nur die Spitze des Eisberges.
Weitere Großkanzleien könnten folgen, weil deren Apparat sich nicht
mehr durch die anstehenden Verfahren bezahlen lässt.

Haarmeyer, seit Jahren Kritiker dieser Vergütungsregelung,
kommentiert: "Wenn jede noch so irrwitzige Vergütung mit der dahinter
stehenden Vergütungsordnung begründet werden kann, dann zeigt dies
schlaglichtartig die Notwendigkeit klarer und transparenter
Regelungen, die auch von den Richtern und Rechtspflegern in
Deutschland schon lange verlangt wird."

Der GSV fordert die Politik auf, im Interesse der betroffenen
Gläubiger, aber auch im öffentlichen Interesse zügig tätig zu werden
und die Insolvenzordnung zu korrigieren. Unterstützend hat der GSV
unter einem Gütesiegel Kriterien für die Auswahl von
Insolvenzverwaltern erstellt, die - wenn sie erfüllt und fortlaufend
kontrolliert werden - helfen, das Missbrauchsrisiko zu minimieren und
Unabhängigkeit, Integrität und Qualität zu sichern.



Pressekontakt:
Christian Klein - Rechtsanwalt
Hohenzollernring 72
50672 Köln
Fon: 0221/12604-0 - Fax: 0221/12604-150
christian.klein@gsv.eu - www.gsv.eu


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