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WDR-Rundfunkrat: Rundfunkrat beschließt Stellungnahme zur Erreichbarkeit der Jugend/Stärkere Orientierung an den Nutzungsgewohnheiten junger Menschen empfohlen

Geschrieben am 24-01-2011

Köln (ots) - Der WDR-Rundfunkrat hat in seiner Sitzung am 21.
Januar 2011 unter Vorsitz von Ruth Hieronymi eine Stellungnahme zur
Erreichbarkeit der Jugend beschlossen. Vorangegangen war ein
ganztägiges Werkstattgespräch des Programmausschusses im November
2010 mit Teilnehmern/innen des Landesjugendrings NRW und der
Jugendpresse Rheinland. Den Vorsitz hatte Petra Kammerevert, die
Vorsitzende des Programmausschusses. Federführend begleitet wurde die
Veranstaltung von Martin Wonik, dem Vertreter des Landesjugendrings
NRW im Rundfunkrat.

In den Gesprächen und Diskussionen mit den Gästen vom
Landesjugendring NRW und von der Jugendpresse Rheinland wurde
deutlich, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk als verlässliche
Nachrichten- und Informationsquelle genutzt wird. Auf Kritik stießen
hingegen das Unterhaltungsangebot und die Platzierungen von
Spielfilmen und Serien in der Nacht.

Zur Erfüllung seines Auftrags hat der WDR alle Alters- und
Zielgruppen mit Informationen, Unterhaltung, Kultur und Sport
anzusprechen. Angebote für Jüngere dürften nicht in die
Spartenprogramme verbannt werden, sondern müssen auch ihren Platz in
WDR Fernsehen und im Ersten finden, so die Vorsitzende des
Programmausschusses, Petra Kammerevert. Wenn einzelne Zielgruppen
sich von den Programmen abwendeten, sei es umso schwieriger, die
Menschen später mit anderen Angeboten wieder für
öffentlich-rechtliche Sendungen zu begeistern.

Martin Wonik mahnte an, dass die Rückgewinnung jüngerer
Zuschauer/innen ein zentrales strategisches Ziel des WDR sein müsse,
und forderte eine regelmäßige Überprüfung der in der Stellungnahme
formulierten Empfehlungen ein.

Die Vorsitzende des Rundfunkrats, Ruth Hieronymi, begrüßte die
Initiative des Programmausschusses ausdrücklich: "Als Vorsitzende der
Gremienvorsitzendenkonferenz bereite ich derzeit ein Forum zur
Ansprache jüngerer Zielgruppen am 28. Februar 2011 in Köln vor. Die
vorliegenden Beratungsergebnisse sollen dort auf breiter Basis
innerhalb der ARD-Gremien diskutiert werden. Der
öffentlich-rechtliche Rundfunk darf den Anschluss an eine moderne
Mediennutzung nicht verlieren. Dazu gehört auch die gezielte
Förderung von jungen Talenten vor und hinter Kamera und Mikrofon."

Die vollständige Stellungnahme finden Sie unter
ww.wdr-rundfunkrat.de

Besuchen Sie auch die Seite des Rundfunkrats im Internet:
www.wdr-rundfunkrat.de

Für Nachfragen wenden Sie sich bitte an die: Vorsitzende des
WDR-Rundfunkrats Appellhofplatz 1 50667 Köln E-Mail:
rundfunkrat@wdr.de Tel: 0221/220-5600

Vom WDR-Rundfunkrat in der 525. Sitzung am 21. Januar 2011
einstimmig verabschiedet

Stellungnahme des Programmausschusses des WDR-Rundfunkrats im
Anschluss an das Werkstattgespräch zur "Erreichbarkeit der Jugend"

Der Programmausschuss hat sich in den letzten Jahren intensiv im
Rahmen von Sitzungsschwerpunkten mit der Jugendansprache befasst. Um
unsere Beratungsergebnisse zu bündeln und zu vervollständigen, haben
wir uns direkt zu Beginn der Amtsperiode des 11. Rundfunkrats im
Programmausschuss das Thema "Erreichbarkeit der Jugend" für unser
erstes Werkstattgespräch vorgenommen. Ganz ausdrücklich ist damit
auch ein Schwerpunkt unserer Arbeit für die kommenden Jahre gesetzt.

Die Werkstattgespräche des Programmausschusses sind
monothematische Veranstaltungen, die abseits von den üblichen
Sitzungsregularien mit externen Experten/innen durchgeführt werden.
Die besten Experten/innen für die Erreichbarkeit der Jugend sind die
Jugendlichen und junge Medienschaffenden selbst. Unser besonderer
Dank gilt daher der Unterstützung des Landesjugendrings NRW, dem
Jugendfilmclub Köln und der Jugendpresse Rheinland. Ihnen ist zu
verdanken, dass der Programmausschuss mit entsprechendem "Input"
versorgt wurde und nicht im eigenen Saft schmoren musste.

Die zunehmende Digitalisierung der Haushalte und die damit
einhergehenden Veränderungen im Mediennutzungsverhalten der
Gesamtbevölkerung sind in der jüngeren Zielgruppe weitgehend
abgeschlossen. Ihr Verhalten prägt damit auch in immer stärkerem Maße
die Mediennutzung.

Die Bilanz über die Erreichbarkeit der Jugend durch das Programm
des WDR und des Ersten fällt gemischt aus. Während weite Teile des
Fernsehprogramms von jüngeren Menschen nicht mehr wahrgenommen
werden, schalten im Hörfunk des WDR viele Jugendliche und junge
Erwachsene 1LIVE ein. Die Onlineangebote und Podcasts beispielsweise
von 'Quarks & Co.' werden ebenfalls wahrgenommen und genutzt, während
die lineare Ausstrahlung des Fernsehprogramms kaum genutzt wird, da
sie für die Jugendlichen zu unflexibel ist. Entsprechend wurde im
Gespräch mit den Jugendlichen als besonderer Vorteil des Internets
die zeitsouveräne Nutzung betont. Öffentlich-rechtliche Angebote
gelten dennoch auch bei Jugendlichen als verlässliche Quellen für
gute Nachrichten- und Informationsangebote. An das Lob für den
'Tatort' aus Münster für die guten witzig-humorigen Dialoge und die
ausgearbeiteten Charaktere schloss sich Kritik an ein mangelhaftes
Unterhaltungsangebot für ein jüngeres Publikum, an fragwürdige
Platzierungen von Spielfilmen und Dokumentationen in der Nacht und
einer fehlenden Talk-Sendung für ein jüngeres Publikum mit Themen aus
der Zielgruppe an. Einzelne Sendungen, die sich auch an ein jüngeres
Publikum im Fernsehprogramm des WDR/der ARD richten, werden im
linearen Programm nur sehr schwer aufgefunden. Entsprechend wurde an
das Marketing appelliert, die Eigenwerbung zielgruppengerechter und
offensiver zu gestalten.

Der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks besteht
ausdrücklich darin, alle Interessen und Zielgruppen mit Information,
Bildung, Unterhaltung, Kultur und Sport zu versorgen. Um diesem
Programmauftrag in allen Zielgruppen gerecht zu werden, muss der
öffentlich-rechtliche Rundfunk Angebote auch für jüngere Menschen
anbieten, selbst dann, wenn dies auf Kosten der Gesamtquote geht.
Dies sollte auch im Eigeninteresse des WDR liegen. Wenn einzelne
Zielgruppen sich von den Programmen des WDR abwenden ist es umso
schwieriger, die Menschen später mit anderen Angeboten wieder für die
öffentlich-rechtlichen Sendungen zu begeistern. Es gibt keinen
Automatismus, dass die Menschen mit steigendem Alter sich eher den
öffentlich-rechtlichen Programmen zuwenden. Wer in seinem
Mediennutzungsverhalten mit den Privatsendern groß geworden ist, wird
ihnen auch als Erwachsener zugewandt bleiben. Dies belegen die
Untersuchungen der Medienforschung seit Jahren.

Unter Berücksichtigung früherer Beratungen ergeben sich folgende
Empfehlungen an den WDR:
- Die Rückgewinnung jüngerer Zuschauer/innen muss ein
zentrales strategisches Ziel des WDR bleiben.
- Angebote für eine jüngere Zielgruppe dürfen nicht in die
Randbereiche des Programms (z.B. am späten Abend) oder in
die Spartenkanäle "verbannt" werden. Sie müssen integraler
Bestandteil der Hauptprogramme im WDR und in der ARD
werden.
- Einrichtung einer trimedialen Redaktion des WDR, die sich
speziell auf die Entwicklung neuer Formate konzentriert,
die sich in Ästhetik, Erzähltempo und Bildsprache an den
Bedürfnissen eines jüngeren Publikums ausrichten.
Insbesondere die Erfahrungen der Redakteure/innen von
1LIVE sind dabei einzubeziehen. Sie sind noch am besten
mit der jüngeren Zielgruppe vernetzt und wissen um deren
Bedürfnisse und Wünsche. Auch der 2005 eingerichtete
Ideenpool des WDR sollte reaktiviert werden, um das
ungeheure kreative Potential der Mitarbeiter/innen des WDR
nutzbar zu machen.
- Die Informationskompetenz des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks für neue Formate nutzen, die sich speziell an
ein jüngeres Publikum richten. Dies könnten beispielsweise
ein politisches Magazin oder eine Talkshow von jungen
Menschen für junge Menschen sein. Hierzu bieten sich die
Weiterentwicklung des jungen politischen Magazins
'echtzeit' oder die Neuauflage einer Sendung wie
'Kanzlerbungalow' an.
- Die Formate, egal ob Nachrichtensendung, Wissensshow,
Comedy, Satire, Servicesendung, Fiktion oder Familienshow,
müssen sich gezielter an die unterschiedlichen Interessen
einer jüngeren Zielgruppe ausrichten und deren
Protagonisten als Identifikationsfiguren ins Programm
integrieren. Als Gesprächs- und Studiogäste sollte man
sich verstärkt um jüngere Menschen bemühen und die Themen
der Zielgruppe ansprechen. Dabei muss auch der wachsende
Anteil junger Menschen mit Migrationshintergrund
berücksichtigt werden.
- Im fiktionalen Bereich ist vor allem die ARD gefordert,
ein moderneres Image anzustreben. Gerade bei den
Serienformaten im Hauptabend wirkt das Angebot häufig
etwas verstaubt und altbacken. Das mit einer anderen Form
der Ästhetik, Themenauswahl und Ansprache auch Jüngere
angesprochen werden können, zeigen immer wieder einzelne
Beiträge des FilmMittwoch im Ersten, oder Serienformate
wie ,Mord mit Aussicht'. ,In aller Freundschaft', ,Familie
Dr. Kleist' oder ,Um Himmels Willen' sind weder von der
Aufbereitung noch von den Themen her geeignet, eine
jüngere oder gar jugendliche Zielgruppe anzusprechen.
- In den Programmen sollten verstärkt junge Talente sowohl
für Unterhaltungs- als auch journalistische Formate
gefördert und mit attraktiven Sendungen Anreize zur
Weiterentwicklung der individuellen Fähigkeiten geschaffen
werden.
- Angebote für ein jüngeres Publikum müssen den
Lebenswirklichkeiten der Zielgruppe entsprechen. Das
Programm muss sich inhaltlich wie ästhetisch an den
Lebensgewohnheiten des Publikums ausrichten. In der
Programmplanung müssen Schul- und Arbeitszeiten sowie das
Freizeitverhalten für ein jüngeres Publikum berücksichtigt
werden. Jugendaffine Programme sollten nicht in der Nacht
versendet werden. Notwendig sind verlässliche und
auffindbare Sendeplätze in den Programmen für Angebote,
die sich speziell an ein jüngeres Publikum richten.
- Die linearen und non-linearen Angebote des WDR sollten
noch enger miteinander vernetzt werden. Wünschenswert ist
es, dass die Angebote sowohl linear, als auch ergänzend
non-linear und zeitsouverän verbreitet werden. Auch
hierbei ist die Auffindbarkeit der Angebote von
entscheidender Bedeutung.
- Der unter Federführung des WDR stehende Digitalkanal
EinsFestival sollte enger mit den Jugendwellen im
ARD-Hörfunk kooperieren. Bei EinsFestival sollten sich
junge Moderationspersönlichkeiten entwickeln können, die
sich später auch für WDR Fernsehen und das Erste eignen
könnten. Dies wird mit der Hoffnung verbunden, dass sich
'EINSWEITER' mit seinen Ablegern weiter entwickeln kann.
Ergänzend zu der am Anfang der Empfehlungen angeregten
Jugendredaktion könnten Projektredaktionen gemeinsam mit
Vertreter/innen der Zielgruppe und jungen Medienmachern
mit neuen Formaten experimentieren. Erfolgreiche
Experimente müssen eine Chance in den Hauptprogrammen
bekommen!
- Der WDR sollte bei den Nutzer/innen präsent sein, so dass
diese auch auf die Angebote aufmerksam werden können. Das
Marketing muss dazu stärker auf das
Mediennutzungsverhalten der unterschiedlichen Zielgruppen
und deren Informationswege eingehen. Die verschiedenen
Plattformen (Internetpräsenz, soziale Netzwerke, Radio
etc.) sollten verstärkt für Cross-Promotion genutzt
werden, um für Fernsehformate zu werben, bzw. auf diese
aufmerksam zu machen.
- Angebote für ein jüngeres Publikum zu machen ist nicht
gleichbedeutend damit, sich des Stils der privaten
Konkurrenz zu bemächtigen. Es geht vielmehr darum, einen
eigenen Weg zu finden, der dem zu Recht hohen Anspruch an
öffentlich-rechtliches Programm genügt. Hierzu bedarf es
mehr Mut, eingetretene Pfade zu verlassen und auch Fehler
zuzulassen.



Pressekontakt:
Vorsitzende des WDR-Rundfunkrats
Appellhofplatz 1
50667 Köln
E-Mail: rundfunkrat@wdr.de
Tel: 0221/220-5600


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