Börsen-Zeitung: Amerikanisches Roulette, Börsenkommentar "Marktplatz" von Christopher Kalbhenn
Geschrieben am 28-01-2011 |
Frankfurt (ots) - Nichts scheint derzeit die Rally an den
Aktienmärkten aufhalten zu können. Als wären die Unruhen in Ägypten,
die nicht weniger beunruhigenden Nachrichten über zunehmend knappe
Nahrungsmittelvorräte mit potenziell weltweit destabilisierender
Wirkung und die steigenden Inflationsrisiken Non-Events, hat der Dax
in der abgelaufenen Woche den höchsten Stand seit mehr als anderthalb
Jahren erreicht. Auch an Wall Street zeigen die Aktien-Charts
scheinbar unbeeindruckt nach oben; der Dow Jones ist erstmals seit
Juni 2008 über die Schwelle von 12000 Zählern gestiegen.
Der Grund für die gute Stimmung ist leicht auszumachen. Amerikas
Notenbank hat wieder deutlich gemacht, dass sie an ihrem 600 Mrd.
Dollar schweren Bondkaufprogramm bis auf weiteres festhält - und noch
einen draufgesetzt: In einer Art Trotzreaktion auf die Bedenken, die
gegen ihre ultralockere Geldpolitik geäußert worden sind, wurde
mitgeteilt, dass dies in der Offenmarktausschuss-Sitzung einstimmig
beschlossen wurde. Haben die internen Kritiker ihre Meinung plötzlich
geändert? Wurde etwa Druck ausgeübt?
Das sind Fragen, die sich die Akteure an den Aktienmärkten nicht
stellen. Für sie zählt nur, dass der bis auf weiteres sehr niedrig
bleibende US-Leitzins und die hohe Liquidität in Verbindung mit den
immer noch die Prognosen übertreffenden Unternehmensgewinnen beste
Voraussetzungen für in der nächsten Zeit weiter steigende Aktienkurse
schaffen. Letztlich hat die Vorgehensweise der Fed aber negative
Implikationen. Wären die US-Währungshüter überzeugt, dass Amerikas
Wirtschaft auf einem guten Weg ist, bald wieder in nennenswertem
Umfang Arbeitsplätze zu schaffen, und wenig rückschlagsgefährdet ist,
würden sie anders agieren.
Außerdem müssen sich die Marktteilnehmer darüber im Klaren sein,
dass diese Politik den erhofften Nutzen nicht bringen, sondern
letztlich erheblichen Schaden anrichten wird, wenn sie zu lange
beibehalten wird. Mit Bondkäufen werden die USA den Arbeitsmarkt
nicht in Schwung bringen können. Nur weil Unmengen Geld ins System
gepumpt werden und der Leitzins bei null liegt, werden Unternehmen
nicht massenhaft Mitarbeiter einstellen. Sie werden das tun, wenn sie
Vertrauen in die US-Wirtschaft haben.
Die Bilanz der Fed immer weiter aufzublähen, wird jedoch auf Dauer
das Vertrauen unterminieren. Das Gleiche gilt für das ausufernde
Staatsdefizit der Vereinigten Staaten, das nicht ernsthaft angegangen
und an den Märkten derzeit seltsamerweise ausgeblendet wird. Moody's
hat aber jetzt vor den Risiken für das Top-Rating der USA gewarnt.
Die Fiskalpolitik Amerikas wird in ein Fiasko münden, wenn das Ruder
nicht rechtzeitig herumgerissen wird.
Nicht nur die USA, sondern sämtliche Industrieländer werden
weitere negative Folgen der amerikanischen Wirtschaftspolitik spüren.
Diese verstärkt über die Aufblähung der spekulativ eingesetzten
Mittel den Preisauftrieb bei den Rohstoffen, darunter auch der
Nahrungsmittelpreise, die zu den sozialen Unruhen in Nordafrika
beitragen. Gravierender aus Sicht der Aktienmärkte ist aber der
verzweifelte Kampf, den die noch als Lokomotiven der Weltwirtschaft
fungierenden großen Schwellenländer als Folge u.a. der US-Politik
gegen die Inflation und drohende Asset Bubbles führen. China wird
weitere Leitzinserhöhungen beschließen, Indien hat den Leitsatz
kürzlich auf 5,5% angehoben, nachdem in diesem Jahr bereits
Brasilien, Südkorea und Thailand die Zügel angezogen haben. Damit
droht eine empfindliche Wachstumsverlangsamung in den
Schwellenländern, die auch für die USA Konsequenzen haben würde.
Steigende Rohstoffpreise und Inflationsraten in den Emerging
Markets werden zudem auch in den USA höhere Inflationsraten
produzieren. Angesichts geringer Kapazitätsauslastung und hoher
Arbeitslosigkeit sind sehr hohe Inflationsraten zwar nicht zu
erwarten. Aber ein Anstieg reicht, um die langfristigen Zinsen
anziehen zu lassen. Dies wiederum würde die Finanzierung der
Unternehmen, aber auch des amerikanischen Staats verteuern. Letztlich
wird die extrem expansive Geld- und Fiskalpolitik nach hinten
losgehen und die nächste, vielleicht noch schlimmere Krise lostreten,
wenn nicht bald ein Umdenken einsetzt.
(Börsen-Zeitung, 29.1.2011)
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Redaktion
Telefon: 069--2732-0
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