Elektromobilität stellt einen echten und nachhaltigen Systemwechsel dar
Geschrieben am 01-03-2011 |
München/Zürich (ots) -
- Elektromobilität ist ein nachhaltiger Systemwechsel und von
großer volkswirtschaftlicher Bedeutung
- Sinkende Energie- und Produktionskosten und wachsendes
Umweltbewusstsein werden eine rasante Entwicklung der Nachfrage
nach sich ziehen
- Die deutsche Automobilindustrie liegt bei der Produktion und
Vermarktung erster Serienfahrzeuge zwei bis drei Jahre hinter
dem Wettbewerb
- Überlegene technische Konzepte und intelligente Vermarktung
machen den Unterschied aus
Viele Automobilhersteller bewerten das Elektroauto als eine von
vielen Varianten in ihrem Produktportfolio. Betrachtet man die
Elektromobilität jedoch ganzheitlich, so zeigen sich deutliche
Elemente eines echten Systemwechsels, dessen Auswirkungen alle Stufen
der Wertschöpfungskette der Automobilhersteller und ihrer Zulieferer
betreffen. Die Unternehmensberatung Bain & Company identifiziert und
analysiert sechs Quantensprünge, die diesen Systemwechsel in der
individuellen Mobilität kennzeichnen.
Quantensprung 1: Weg vom Öl
Durch den elektrischen Antrieb sind Automobilhersteller und
Autofahrer nicht mehr nur von einer einzigen Energiequelle, dem
Erdöl, abhängig. Diese Technologie unterstützt also einen
Systemwechsel in der Energiepolitik. Die USA etwa wenden jährlich 260
Milliarden US-Dollar dafür auf, kostbares Erdöl zu importieren, von
dem etwa 70 Prozent in der sehr durstigen Pkw-Flotte verbraucht
werden. Stellt man dem gegenüber, dass 70 Prozent der US-Autos
täglich meist auf Kurzstrecken bewegt werden, ist es bereits mit dem
heutigen Stand der E-Antriebs- und Batterietechnologie problemlos
möglich, den größten Teil dieser Strecken mit Strom aus dem Netz zu
fahren. Für die USA rechnet es sich daher volkswirtschaftlich, 40
Milliarden US-Dollar an Steuergeldern in diese neue Technologie zu
investieren.
"Simuliert man ein solches Szenario für deutsche Verhältnisse, so
könnten rund 70 Prozent der jährlich etwa 550 Milliarden gefahrenen
Pkw-Kilometer elektrisch zurückgelegt werden", sagt Dr. Gregor
Matthies, Partner bei Bain & Company und Leiter der europäischen
Automobilpraxisgruppe. Volkswirtschaftlich wäre das ein enormer
Schritt, denn Deutschland müsste rund 40 Prozent weniger Erdöl
importieren, was einem Wert von gut 20 Milliarden Euro nach heutigen
Preisen entspräche. Der Mehrbedarf an Strom von etwa zehn Prozent
würde in seiner Erzeugung etwa 1,5 bis 2,5 Milliarden Euro kosten und
könnte zur Hälfte aus dem bestehenden Netz kommen, denn Elektroautos
laden meist nachts, wenn ohnehin Überkapazitäten vorhanden sind. Die
restlichen fünf Prozent des zusätzlichen Strombedarfs könnten bereits
heute mit erneuerbaren Energiequellen erzeugt werden.
Quantensprung 2: 60 Prozent weniger Energiekosten fürs Fahren
Der Elektroantrieb ist deutlich effizienter als ein Benzin- oder
Dieselmotor. Beim Verbrennungsmotor werden nur maximal 30 Prozent des
Energieinhalts im Tank in Bewegungsenergie umgewandelt, beim
Elektroantrieb sind es 80 Prozent. Ein Fortschritt in der
Energieeffizienz, der dazu führt, dass die Energiekosten pro
gefahrenen Kilometer drastisch sinken können. "Mit einem Elektroauto
kann der Besitzer bis zu 60 Prozent seiner Energiekosten gegenüber
dem heutigen Stand sparen", so Automobil-Experte Matthies.
Quantensprung 3: 100 Prozent besseres Fahren
Das E-Auto besitzt gerade in der Stadt eine deutlich bessere
Fahrdynamik, die höchstens mit der eines Sportwagens vergleichbar
ist. Das volle Drehmoment steht zu 100 Prozent und von Anfang an zur
Verfügung und die Beschleunigung erfolgt ohne Schaltunterbrechungen.
Darüber hinaus verursacht das E-Auto keine lokalen Emissionen. Für
den Fahrer bedeutet das, seine Haltung zum Umweltschutz zu zeigen und
einen aktiven Beitrag hierfür zu leisten. "Die wachsende Bevölkerung
in den globalen urbanen Zentren sucht nach individueller Mobilität,
die nicht durch umweltverschmutzende Schadstoffe belastet ist. Ein
zehn oder 20 Prozent effizienteres Dieselfahrzeug reicht diesen
Kunden nicht; sie wollen den 100-prozentigen Systemwechsel", sagt
Bain-Partner Matthies.
Quantensprung 4: 100 Prozent bezahlbar
Nahezu alle Zukunftsszenarien gehen davon aus, dass mittelfristig
die individuelle Mobilität nur durch Elektrofahrzeuge für alle Bürger
zugänglich und bezahlbar bleiben wird. Möchten Kunden bereits heute
ein E-Auto kaufen, scheitert das allerdings noch an verfügbaren und
vor allem preiswerten Elektroautos. Hierbei werden zwei
Entwicklungssprünge helfen: Zum einen verringern sich die Material-
und Produktionskosten mit der deutlichen Gewichtsreduzierung der
Batterien. Durch die Lithium-Ionen-Technologie sind diese 70 Prozent
leichter als zum Beispiel Blei-Akkus. Zum anderen führt die relative
Einfachheit des elektrischen Antriebsstrangs zu geringeren
Investitionen in Produktionsanlagen. Beispielsweise liegen die Kosten
für den Aufbau einer hoch automatisierten
Dieselmotoren-Fertigungsstraße heute bei rund 200 Millionen Euro -
die Investitionskosten einer Fertigungsanlage für gleich starke
Elektromotoren betragen dagegen lediglich fünf Millionen Euro.
Quantensprung 5: 100 Prozent nachhaltig
Ein Auto mit Elektroantrieb ist für seinen Besitzer eine wirklich
nachhaltige Investition in die Zukunft. In seiner CO2-Bilanz ist ein
mit Strom betriebenes Fahrzeug davon abhängig, auf welche Weise der
elektrische Strom hergestellt wird. Deshalb wirkt sich jede
inkrementelle Verbesserung im Erzeugungsmix automatisch positiv auf
die CO2-Bilanz aller vorhandenen E-Fahrzeuge aus. "Diese
CO2-Nachhaltigkeit des E-Autos ist ein Durchbruch gegenüber Benzin-
und Dieselfahrzeugen. Hier dauert es meist zehn Jahre bis sich
Verbesserungen im Bestand wirklich durchsetzen", sagt Dr. Jan
Traenckner, Senior Technology Advisor von Bain & Company.
Quantensprung 6: 100 Prozent flexibel
Elektromobilität ist, anders als im Moment oft dargestellt, kein
Dogma. Autofahrer sind heute oft noch unsicher, ob sie ein Fahrzeug
kaufen sollen, das eine Batteriekapazität für lediglich 150 Kilometer
Reichweite hat. Legt man die typischen Nutzungsprofile von Autos
zugrunde, zeigt sich jedoch, dass fast jedes Auto einen elektrischen
oder teilelektrischen Antrieb haben könnte. Denn die meisten
Fahrzeuge stehen 90 Prozent ihrer Zeit still und legen täglich nur
geringe Wegstrecken zwischen 40 und 60 Kilometer zurück. "Genau
betrachtet, ist es nicht die begrenzte Reichweite, die ein E-Auto
limitiert, sondern vielmehr die Geschwindigkeit mit der die Batterie
- stationär oder mobil - wieder aufgeladen werden kann", sagt
Bain-Automobilexperte Matthies. "Für diese vermeintliche
Einschränkung gibt es bereits sehr überzeugende und bestens
funktionierende technische Lösungen, wie den Range Extender oder
Plug-in-Hybride, bei denen der Fahrer bei leerer Batterie auf das ihm
bekannte System des Verbrenners zurückgreifen kann und somit die
100-prozentige Flexibilität hat, wie lange und wo er sein Auto fahren
möchte", so Matthies weiter.
Die Automobilindustrie muss den Systemwechsel umsetzen
"Der Systemwechsel hin zur Elektromobilität steht unmittelbar
bevor. Die damit verbundenen Quantensprünge werden eine rasante
Entwicklung der Nachfrage nach sich ziehen", sagt Bain-Partner
Matthies. "Die große Unbekannte dabei ist jedoch die Rolle der
Automobilindustrie und die Geschwindigkeit, mit der diese den
Systemwechsel umsetzt. Hier gibt es Vorreiter wie Renault/Nissan,
Mitsubishi/PSA oder GM/Opel, die der deutschen Automobilindustrie bei
der Vermarktung erster Serienfahrzeuge momentan zwei bis drei Jahre
voraus sind", so Matthies weiter.
Von bedeutenden staatlichen Hilfen kann in Deutschland zurzeit
nicht ausgegangen werden. Somit wird die Automobilindustrie aus ihrer
eigenen Innovationskraft und Dynamik heraus den Systemwechsel
vorantreiben müssen. "Dabei sind die Hersteller im Vorteil, deren
Ursprungsländer die volkswirtschaftliche Bedeutung dieses
Systemwechsels verstanden haben und entsprechende Rahmenbedingungen
schaffen", so Matthies. Andere müssen diesen Nachteil durch erheblich
mehr Innovationen ausgleichen. Am Ende wird aber auch im Markt für
Elektromobilität das überlegene technische Konzept, gepaart mit
intelligenter Vermarktung den Unterschied ausmachen.
Pressekontakt:
Leila Kunstmann-Seik
Bain & Company Germany, Inc.
Karlsplatz 1, 80335 München
Tel.: +49 (0)89 5123 1246, E-Mail: leila.kunstmann@bain.com
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