WAZ: Der Umstieg wird teuer
- Leitartikel von Walter Bau
Geschrieben am 15-03-2011 |
Essen (ots) - Kaum verkündet die Kanzlerin, die eben noch längere
Laufzeiten für Uralt-Reaktoren durchboxte, dass sie sieben Atommeiler
vorerst abklemmen will, da überbieten sich CDU-Ministerpräsidenten in
eiligen Verlautbarungen: Stefan Mappus kündigt das endgültige Aus für
Neckarwestheim an, Peter Harry Carstensen will gar zwei Reaktoren vom
Netz nehmen. Wer bietet mehr? Man reibt sich schon verwundert die
Augen, wer da alles urplötzlich zum Atom-Skeptiker mutiert ist. Eben
noch galten die Reaktoren als unverzichtbar für die Energieversorgung
im Lande, jetzt kann man es sich leisten, gleich mehr als ein halbes
Dutzend vom Netz zu nehmen, ohne dass die Lichter ausgehen. Eine
atemberaubende Volte. Die Frage lautet: Wie lange hält der neue
Atomkurs? Vorerst, so hat die Kanzlerin gestern betont, werde man die
Meiler abklemmen - für drei Monate. So kauft sich Merkel, die die
atomkritische Stimmung im Lande registriert hat, Zeit. Denn nach
Ablauf dieser Frist sind die Wahlen in Baden-Württemberg,
Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt gelaufen. Sollte dann noch eine
Neuwahl in NRW anstehen, kann man ja noch mal ein, zwei Monate
dranhängen. Eine zynische Betrachtungsweise, finden Sie? Mag sein.
Tatsächlich aber wird Merkel erst noch den Beweis antreten müssen,
dass es ihr ernst ist mit der Energiewende - und dass mehr dahinter
steckt, als wahltaktisches Kalkül. Die Energiekonzerne scheinen sich
zähneknirschend mit den Stilllegungen ihrer Profitbringer abzufinden.
Aber auch hier gilt: vorerst. Die AKW-Betreiber werden schon bald im
Kanzleramt anklopfen, um neue Konditionen zu verhandeln. Doch an
einem Umbau der Energieversorgung in Deutschland führt kein Weg
vorbei. Und der kostet Geld. Viel Geld. Ein forcierter Ausstieg aus
der Atomenergie wird die Summe sicher vergrößern. Wer die Zeche am
Ende zahlt ist auch klar: die Stromkunden und die Steuerzahler. Immer
vorausgesetzt, die Bundesregierung macht Ernst mit ihrem neuen Kurs.
Aber das werden wir ja erfahren - in drei Monaten, oder so.
Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de
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