Börsen-Zeitung: Ein Zinsschritt ist nicht genug, Leitartikel zur bevorstehenden EZB-Sitzung von Stephan Balling
Geschrieben am 05-04-2011 |
Frankfurt (ots) - Morgen also endet die Periode rekordtiefer
Leitzinsen. Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) wird mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Leitzins von 1 auf 1,25%
erhöhen. Angesichts heftig steigender Inflationserwartungen an den
Finanzmärkten ist der Handlungsdruck auf die Währungshüter enorm. Die
in den zehnjährigen inflationsindexierten deutschen und französischen
Staatsanleihen eingepreisten Erwartungen sind seit dem dritten
Quartal 2010 von 1,3 bzw. 1,6% auf 2,6 bzw. 2,5% gestiegen. Die EZB
muss deshalb nun ein klares Signal setzen. Allerdings ist ein
einziger Zinsschritt nicht genug, um die Inflationserwartungen wieder
unter das Stabilitätsziel der EZB von knapp 2% zu drücken.
EZB-Präsident Jean-Claude Trichet sollte deshalb weitere Zinsschritte
in Aussicht stellen.
Aber selbst mehrere Zinserhöhungen reichen nicht aus. Das
Vertrauen von Bürgern und Marktakteuren in das Währungssystem ist
gestört. Szenarien wie das eines generellen Versagens des
Währungssystems, die noch vor wenigen Jahren als Märchen veralbert
wurden, werden mittlerweile auch von anerkannten Ökonomen nicht mehr
als abstrus abgetan. Sicher, die Wahrscheinlichkeit für solch eine
extreme Entwicklung ist gering. Aber die Zeichen der Verunsicherung
sind doch unübersehbar. Das zeigt sich in den USA, wo etwa der
Bundesstaat Utah über Alternativen zum Dollar nachdenkt. Und es zeigt
sich global an den Rekordpreisen für Gold und Silber. Sicher ist es
noch viel zu früh, von einer "Flucht in Sachwerte" oder einer
"Katastrophenhausse" (bekannt auch als "Crack-up Boom") zu sprechen,
wie sie der Ökonom Ludwig von Mises in seinem Werk "Human Action" im
Jahr 1949 beschrieb. Mises ging davon aus, dass eine zu expansive
Geldpolitik zunächst die Preise für Rohstoffe, einige Handelswaren
und Dienstleistungen treibt. Das generelle Preisniveau steigt dabei
nur leicht, und die Bevölkerung erwartet, dass die Teuerung wieder
zurückgeht. "Solange dieser Glaube noch von der öffentlichen Meinung
getragen wird, ist es für die Regierung nicht zu spät, ihre
Inflationspolitik zu beenden", war Mises sicher. Aber die Gefahr
bestehe, dass die breiten Massen irgendwann den Glauben an einen
Rückgang der Inflation verlieren könnten. Mises: "Es kommt zum
Zusammenbruch. Der Crack-up Boom wird sichtbar." Die Menschen
flüchten dann aus ihren Geldbeständen in "reale Güter", unabhängig
davon, ob sie diese benötigen oder nicht. "Innerhalb einer sehr
kurzen Zeit, wenigen Wochen oder sogar Tagen, werden die Dinge, die
zuvor als Geld benutzt wurden, nicht mehr als Tauschmittel
verwendet", warnte Mises. "Sie werden Schrottpapier."
Natürlich ist das ein extremes Szenario. Und wie Mises selbst
schreibt, kann die Notenbank lange Zeit gegensteuern. Das Problem ist
aber, dass derzeit nicht nur Inflation droht. Beispiel
Liquiditätshilfen für irische Banken: Medienberichten zufolge stehen
die Banken des Inselstaates beim Eurosystem mit insgesamt 177 Mrd.
Euro in der Kreide. Die Bundesbank trägt nach dem allgemeinen
Schlüssel des Eurosystems davon 27% des Risikos, also rund 48 Mrd.
Euro. Das Eigenkapital der Notenbank beträgt dabei nur 5 Mrd. Euro,
dazu kommen Rückstellungen von 8 Mrd. Euro. Ein Default mit einem
30-prozentigen Haircut Irlands (und einem Totalausfall der Banken)
würde die Bundesbank-Bilanz mit 14 Mrd. Euro belasten, also fast dem
Dreifachen des Eigenkapitals. Es mag sein, dass es in der Bilanz noch
Positionen gibt, mit deren Hilfe eine vollständige Aufzehrung des
Eigenkapitals in dem beschriebenen Szenario verhindert werden könnte.
Und natürlich kann eine Zentralbank auch mit negativem Eigenkapital
operieren. Aber solche Szenarien, die ja nun nicht völlig
unrealistisch sind, sorgen für große Unsicherheit.
Das Eurosystem sollte deshalb nicht nur am Leitzins schrauben.
Nötig ist auch eine rasche Rückführung der durch die Krise
richtigerweise stark ausgedehnten Zentralbankbilanzen auf
Normalniveau. Die unbegrenzte Bereitstellung von Liquidität für die
Banken der Eurozone sollte deshalb rasch reduziert werden.
Keinesfalls sollte es die offenkundig geplanten neuen, speziell auf
die Bedürfnisse irischer Banken zugeschnittenen Kredithilfen durch
das Eurosystem geben. Es ist nicht Aufgabe der Geldpolitik,
Kreditinstitute am Leben zu halten. Dasselbe gilt für den Kauf von
Staatsanleihen zur Stützung maroder Länder. Die EZB hat den
Regierungen Europas mit ihren unkonventionellen Maßnahmen Zeit
gekauft. Jetzt muss sie die Verantwortung wieder zurückgeben, sich
auf ihr Kerngeschäft begrenzen und für stabile Preise sorgen.
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