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tz München: "Wir sind Meister der Nicht-Einmischung": Der Münchner Autor Tilman Spengler zur Verhaftung von Ai Weiwei

Geschrieben am 19-04-2011

München (ots) - Vor zwei Wochen wurde Chinas bekanntester Künstler
Ai Weiwei wieder inhaftiert. Weiwei, der den Münchnern durch seine
Ausstellung im Haus der Kunst in bester Erinnerung ist (die bunten
Rucksäcke quer über die Fassade!), erhält allerdings nur relativ
zaghaft Unterstützung aus dem Westen - wie der Münchner
Schriftsteller Tilman Spengler meint. Hier das Interview mit dem
Starautor und China-Experten. Hat sich durch die Festnahme von Ai
Weiwei die Situation für Dissidenten in China verschärft? Tilman
Spengler: Man kann die Schraube immer noch weiter anziehen. Aber es
hat ja leider bereits ähnliche Fälle gegeben - denken wir nur an das
Verschwinden der Anwälte, die sich für die Verhafteten engagierten.
Ai Weiwei ist im Westen neben Liu Xiaobo nur der bekannteste Fall.
Für uns ist das sozusagen ein Symbolname geworden. Die härtere
Gangart wird ja aber seit drei, vier Monaten praktiziert. Wie ist die
Festnahme zu werten? Spengler: Es scheinen sich da mindestens zwei
Kraftfelder innerhalb der kommunistischen Führung zu beharken. Die
eine Seite will der anderen beweisen, dass sie noch stärker ist.
Offensichtlich sind da stark orthodoxe, nennen wir sie stalinistische
Kräfte am Werk, die Angst davor haben, ein wirtschaftsliberales
Denken könne auch zu politischem, vielleicht sogar schärferem
sozialen Dissens führen. Und das nicht nur unter Intellektuellen,
sondern auch unter anderen Teilen der Bevölkerung. Hilft der
internationale Druck? Spengler: Nun, da bin ich nicht überaus
optimistisch. Aber wenn es den Druck nicht gäbe, dann wäre deren
Schicksal noch viel bedenklicher. Setzt sich die Bundesregierung
genügend für Ai Weiwei ein? Spengler: Man darf das Gewicht unserer
Regierung nicht überschätzen. Nicht im Falle von Ai Weiwei und auch
nicht im Fall der anderen Opfer. Und man muss auch abwägen, was
jenseits von Protestnoten geschehen kann. Für die meisten
deutsch-chinesischen Aktivitäten gilt aber offenbar: business as
usual. Jedenfalls habe ich nicht bemerkt, dass - nur ein schräges
Beispiel - beim Formel-1-Rennen in Shanghai am letzten Sonntag ein
deutscher Rennfahrer eine Extraschleife für chinesische Künstler
eingelegt hätte. Hat der Westen gerade das Thema Menschenrechte
bisher nicht zu wenig angesprochen? Spengler: Das
Verrenkungspotenzial war und ist gewiss sehr groß. Das ist nicht sehr
überraschend, wenn man bedenkt, wie viel Geld, wie viele Interessen
auf dem Spiel stehen. Aber auch bei manchen osteuropäischen Nachbarn
sind wir Meister der Nicht-Einmischung. Von außereuropäischen Staaten
ganz zu schweigen. Sie durften nicht nach China einreisen. Was ändert
das für Sie? Spengler: Als man sagte, ich sei kein Freund des
chinesischen Volkes, hat man nicht alle Mitglieder des chinesischen
Volkes gefragt. Ein paar Freunde habe ich noch. Es wäre jetzt nicht
klug, wenn ich mich auffällig mit ihnen in Verbindung setze, deshalb
halte ich mich zurück. Aber selbst in der chinesischen Politik kann
man mit Wendungen zum Besseren rechnen. M. Schumacher



Pressekontakt:
tz München
Redaktion
Telefon: 089 5306 505
politik@tz-online.de


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