tz München: Neues Buch über eine dramatische Liebe: Münchner Autorin erzählt ihre Geschichte
Die Alt-68erin und ihr junger Polizist
Geschrieben am 26-04-2011 |
München (ots) - Jenseits der 50 Jahre - so dachte sie früher -
wird man doch irgendwann innerlich mal zur Ruhe kommen. Wird gelassen
nach vorn und mit einem Lächeln zurück schauen. Wird sich fern halten
von den emotionalen Abgründen jüngerer Jahre. Bloß keine
Liebesgeschichten und schon gar keine sexuellen Wünsche mehr. Vorbei
die Risse in der Seele, die durchheulten Nächte, die enttäuschten
Erwartungen. Doch wie so oft im bewegten Leben der Münchner Autorin
Hella Schwerla kam's mal wieder anders. An einem traumhaft schönen
Frühlingstag des Jahres 2008, mitten an einer Hauptverkehrsstraße im
Münchner Süden, trifft sie einen Mann, der ihr ganzes Fühlen und
Denken schlagartig auf den Kopf stellt. Sie - die Revoluzzerin, die
rebellische Alt-68erin - verliebt sich unsterblich in einen Münchner
Streifenpolizisten. Er ist 21 Jahre jünger als sie. Ausgerechnet ein
Bulle. Ein Uniformträger. Einer von denen, die sie früher verachtete.
Die sie einfach ignorierte, weil sie Polizisten von vorneherein eine
interessante Persönlichkeit absprach. Dieser Bulle jedoch ist
anders. Das Feindbild bröselt. Sie wehrt sich. Und unterliegt am Ende
doch zu gern. Ihm und seiner beruflichen Karriere zuliebe halten die
beiden ihre Liebe seit nunmehr drei Jahren geheim. Weil beide wissen,
dass diese Gesellschaft, dieser Polizeiapparat eine Beziehung
jenseits aller Konventionen nicht akzeptieren würde. Sie wollen sich
und ihre Liebe schützen vor bösem Getuschel, feindseligen Blicken und
- schlimmer noch - dem gemeinen Grinsen. Und doch: Es schreit nach
Widerspruch, soll nicht einfach so unkommentiert stehen bleiben. Sie
wollte ihn und sich verstehen. Und so hat Hella Schwerla angefangen
zu schreiben. Herausgekommen ist ein in weiten Teilen
autobiografischer Roman über die geheime Liebe der attraktiven
Psychologin Regina Rosenthal (63) zu dem Polizisten Mathias Sailer
(42). Es geht um Liebe, Sinnlichkeit und Zärtlichkeit, um Angst,
Trennung und Liebeskummer - und ganz zentral um die wiedererweckte
Erotik einer älteren Frau. Kein verschämtes Gefummel unter der
Bettdecke. Hier geht es um die sexuelle Identität einer reifen Frau,
die weiß, was sie will und einfordert, was sie braucht. Ohne
verzwackte Scham, zuweilen schonungslos direkt und immer
authentisch. Der Polizist und die Frau - ein überfälliger Tabubruch.
Und ein Plädoyer für die Freiheit der Liebe. Egal, in welchem Alter.
Hätte ihr jemand früher eine derartige Liebesgeschichte prophezeit,
hätte sie in ihrer direkten Art geantwortet: "Du spinnst doch!" Hätte
ihr rotblondes Haar geschüttelt, ihre blauen Augen blitzen lassen
und ihr mitreißendes Lachen gelacht. Dabei weiß sie besser als viele
andere, dass das Leben noch immer die besten Geschichten schreibt.
Ihr Start ins Leben war alles andere als verheißungsvoll. Als viertes
Kind eines Kleinbauern in einem tief katholischen 500-Seelen-Dorf im
Emsland wurde die kleine Hella geboren. Ihr Leben bestand aus
Arbeit. Bildung war kein Thema. Außer der Bibel und einigen
Kitschromanen gab es eh keine Bücher im Haus. Die Mutter - depressiv,
überfordert und zuweilen von gnadenloser Härte - prügelte und strafte
ihre Kinder bereits wegen Nichtigkeiten hart. Der Vater war lieb,
aber schwach, ersäufte seine Nöte in Alkohol. Als Hella sechs Jahr
alt war, trank sie ihm in kindlicher Fürsorge den Schnaps weg: "Ich
wollte ihn retten. Ich dachte, wenn ich den Schnaps trinke, kann er
ihn nicht trinken." Je älter sie wurde, desto klarer war ihr:
"Bildung war der einzige Ausweg aus dieser Falle." Heimlich begann
sie zu lesen. Mit elf Jahren verfasste das Mädchen für die Mitschüler
seinen ersten Roman ("Eine Fortsetzungsgeschichte aus dem 14.
Jahrhundert"). Den Weg zur Oberschule erzwang sich das rebellische
Bauernmädchen mit einem Hungerstreik. An einem Weihnachtsabend
versteckte sie sich aus Angst vor weiteren Prügeln in einer Höhle und
wäre beinahe erfroren: "Aber der Hund hat mich rechtzeitig
gefunden." Später hospitierte sie bei einer Zeitung, fälschte die
Unterschrift ihrer Mutter ("Die kann ich heute noch") und entfloh als
Aupair-Mädchen nach England und Frankreich. Als sie etwa 20 war, lud
eine Freundin sie nach München ein. Hella Schwerla blieb, wurde
Reporterin bei Quick und der Bunten Illustrierten, verdiente gut,
heiratete. Nicht nur aus Liebe. Sondern weil Unverheiratete in den
60ern in München keine Wohnung bekamen. Sie gebahr ihren Sohn
Andreas. Für viele Jahre war er glücklicher Mittelpunkt ihres Lebens.
Es war die Zeit der Studentenkrawalle, der sexuellen Revolution,
der freien Liebe in sämtlichen Facetten. Und die schöne Hella war
immer mittendrin. Erfüllt von brennender Lebenslust und dem Wunsch,
alles anders, besser machen zu wollen. Rebellisch, mutig,
risikobereit. Manchmal ging sie zu weit. Aus Liebe zu einem aktiven
RAF-Mitglied kam sie dem Terror-ismus gefährlich nahe. Sie
beschäftigte sich mit den Thesen von Holger Meins und Ulrike Meinhof,
hörte anfangs fasziniert und dann zunehmend kritisch zu: "Ich hatte
öfter Steine in der Hand. Aber ich habe niemals einen geworfen. Mit
Gewalt und Waffen wollte ich absolut nichts zu tun haben." Mit sieben
Männern lebte sie im Laufe ihres Lebens zusammen - mit zweien davon
mehrere Jahre gleichzeitig. Stark und pragmatisch war der eine, weich
und poetisch der andere. Beide liebten sie, und sie liebte beide. Die
Männer verstanden sich gut. Hella Schwerla findet noch heute, dass
das "meine beste Liebesbeziehung war". Sie ließ sich scheiden,
verließ irgendwann auch ihre Männer-WG, ging zum Hörfunk und schrieb
an die 500 Features und Hörspiele. Schon damals wusste sie, nicht
gemacht zu sein für die Ehe und ein kleines Eckhaus-Glück. Sobald der
Alltag Liebe und Erotik verdrängte, war es auch für sie Zeit zu
gehen. Als sie 35 Jahre alt war, schlug das Schicksal zu: In
stockfinsterer Nacht stürzte sie am Gardasee durch ein Loch in einer
Brücke elf Meter in die Tiefe, brach sich das Rückgrat. Die
Schmerzen waren unglaublich: "Ich hätte mich umgebracht, wenn ich nur
gekonnt hätte." Sechs Monate lang musste sie im Gipsbett liegen,
wurde dabei beinahe morphinabhängig. Keiner glaubte, dass sie je
wieder gehen würde. Doch Hella stand wieder auf - und ging auf große
Reisen. Indien, Afrika, Südamerika. Eine Zeit, die sie in zwei
Büchern (Prinzen, Parias und wilde Tiere. Eine indische Reise; Auch
Hexen können weinen) beschrieb. Sie begegnete Schamanen und anderen
Heilern, wurde mit ihrer eigenen spirituellen Seite konfrontiert, um
die sie schon seit Kindertagen weiß, die sie aber auch beunruhigte:
"Ich nenne es Energiearbeit. Ich kann spüren, wenn einem Menschen
Gefahr droht und er krank ist, und ich kann ihm die Kraft geben,
damit fertig zu werden. Ich habe mit Esoterik absolut nichts am Hut
und will auch nicht in diese Ecke gedrängt werden. Ich tue es auch
nur für wenige, ausgewählte Menschen. Weil der Kommerz das Ende aller
heilerischen Fähigkeiten ist." Liebe, Erotik und Sexualität waren und
sind zentrale Erfahrungen in ihrem Leben. Sie experimentierte und
liebte, wurde geliebt und litt, stürzte oft, wischte sich die Tränen
ab, stand wieder auf und ging weiter. Ihr Alter fand sie niemals
wichtig. Sie spricht auch heute nicht darüber und hält es lieber mit
Coco Chanel: "Alter schützt vor Liebe nicht, aber Liebe vor dem
Altern."
Dorita Plange
Pressekontakt:
tz München
Redaktion
Telefon: 089 5306 505
politik@tz-online.de
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