BERLINER MORGENPOST: Die falschen Prioritäten der Politiker - Leitartikel
Geschrieben am 15-07-2011 |
Berlin (ots) - Eine Siebenjährige ist in Dortmund Opfer fehlender
deutscher Gesetze geworden. Ein Triebtäter, der im Herbst 2010 aus
der Sicherungsverwahrung entlassen worden ist, hat das Mädchen
missbraucht. Er war entlassen worden, weil der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte die deutsche Sicherungsverwahrung
rechtswidrig fand. Die sofortige Entlassung aufgrund des Urteils war
nicht zwingend gewesen, aber die rot-grüne NRW-Regierung hat sie
vorgenommen. Das Mädchen missbrauchen konnte der Täter freilich nur,
weil die Behörden im Dezember 2010 auch die scharfe
Polizeiüberwachung des Freigelassenen gelockert hatten. Diese
Überwachung war notwendigerweise improvisiert, weil niemand auf die
Entlassung vorbereitet war. Sie wurde gelockert, weil die dafür
abgeordneten Polizisten auf ihren regulären Planstellen dringend
benötigt wurden. Den Preis für diese Entscheidung hat das sieben
Jahre alte Mädchen gezahlt. Manchmal fragen sich Politiker, warum ihr
Tun so wenig geachtet wird. Der Dortmunder Fall bietet eine Antwort.
Die Antwort ist: Politiker erwecken manchmal den Eindruck, es sei
ihnen vieles wichtiger als Gefahren, die Wähler im Alltag zu spüren
glauben. Der Eindruck täuscht meist, aber manchmal wirkt er
zutreffend. Der Staat, finden die Wähler, soll zuallererst Schutz vor
absehbarem Unglück bieten - ganz besonders dann, wenn die Abwendung
solchen Unglücks allein in der Hand deutscher Politiker liegt. Im
Fall von Triebtätern heißt das: Nach dem Urteil des europäischen
Gerichts muss ein neues Gesetz über die Unterbringung von Triebtätern
geschaffen werden, und das möglichst schnell. Solange das Gesetz
nicht fertig ist, soll der Staat dafür sorgen, dass Triebtäter nicht
unbeaufsichtigt bleiben. Die Wähler möchten bei dieser Frage weder
Leichtfertigkeit noch Vertrauensseligkeit noch Experimente in Kauf
nehmen. Die rechtlich nicht nötige sofortige Freilassung des
sicherungsverwahrten Täters aber wirkte wie alle diese Punkte
zusammen. Die Polizei musste zusehen, wie sie nun vom Fleck weg die
Überwachung hinbekommt. Die Eltern blieben mit der Aufgabe allein,
dass sie nun ihre Kinder zu Misstrauen gegenüber Fremden erziehen,
sprich: ihren Kindern Angst machen sollten. Und die Sozialbetreuer
hatten keine klare gesetzliche Bestimmung zur Hand, wie sie mit ihrer
Verantwortung so umgehen könnten, dass ein Desaster so weit wie
möglich ausgeschlossen bleiben würde. Auf ein Gesetz zur angemessenen
Unterbringung von Triebtätern warten alle Beteiligten bislang
vergebens. Auf einen Nachtragshaushalt, der bis zu einer solchen
Regelung die Überwachung solcher Täter sicherstellt, auch. Die
Prioritäten stimmen nicht. Auf den ersten Sitzungen nach der
Sommerpause diskutiert der Bundestag über den Bundeshaushalt, und
dann als einzigen Extra-Tagesordnungspunkt zum Thema "Für eine
Verhandlungslösung im Nahost-Konflikt". Genau das weckt beim Wähler
Unbehagen über die Prioritäten. Eine Nahostlösung ist sehr wichtig.
Aber im Nahen Osten hat nicht der Bundestag die Hoheit über das
Geschehen. Im Fall deutscher Triebtäter hat er sie. Und deshalb
sollten die Abgeordneten darüber dann zuerst debattieren.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
342863
weitere Artikel:
- WAZ: Sprosse als Lehrstück. Kommentar von Dietmar Seher Essen (ots) - Aus Schaden wird man klug. Der Satz klingt zynisch,
wenn es um Dutzende Tote und Tausende Erkrankte geht. Aber er stimmt.
Bund und Länder haben aus der Ehec-Epidemie gelernt. Eine "Taskforce"
beim Berliner Verbraucherschutzministerium koordinierte die Fahndung
nach dem bösartigen Erreger. Sie fand ihn schließlich in einem
niedersächsischen Gartenbetrieb. Er saß auf Sprossen, wohl aus
Ägypten.
Das alles ist nur eine halbe Erfolgsgeschichte. Denn die ersten
Patienten merkten um den 8. Mai von ihrer Infektion. Drei mehr...
- Frankfurter Neue Presse: Euro: Kaum noch Vertrauen in die Politik. Leitartikel von Politikchef Dr. Dieter Sattler. Frankfurt am Main (ots) - Als Kanzlerin Merkel und der damalige
Finanzminister Steinbrück angesichts der Lehman-Pleite im Herbst 2008
garantierten, dass die Bankguthaben sicher seien, wirkte diese
Erklärung noch. Doch seit diesem Tag hat man immer mehr das Gefühl,
dass die Politik der Musik, die von anonymen Märkten gespielt wird,
nur noch hinterherläuft. So gibt die Bundesregierung seit Ausbruch
der Griechenland-Krise immer wieder Garantien, die sie dann nicht
halten kann. Zunächst wollte Merkel die "No Bail Out"-Formel
verteidigen, mehr...
- Südwest Presse: Kommentar: Hungerkatastrophe Ulm (ots) - Mehr Fairness
Die Hungerkatastrophe kündigte sich an. Nach dem Ausfall zweier
Regenzeiten warnten Experten schon vor Monaten vor einer neuen
Hungersnot in Ostafrika. Deren Ausmaß hat jetzt jedoch alle
überrascht. Dass alle paar Jahre über eine solche Tragödie berichtet
werden muss, ist nicht nur dem ausbleibenden Regen geschuldet. Die
Krisenregion, vor allem Somalia, leidet an sich selbst. Andere
Staaten an einer zum Teil verfehlten Hilfepolitik. Chronische Armut,
in Somalia auch ein erbitterter Bürgerkrieg, der mehr...
- Märkische Oderzeitung: Märkische Oderzeitung (Frankfurt Oder) zur Zwischenbilanz im Kleistjahr: Frankfurt/Oder (ots) - Gewiss, Kleistfesttage gibt es in Frankfurt
schon lange und auch in diesem Neubau. Aber wer sich an die im
letzten Jahr erinnert, dem fällt dafür, wie von Seiten der Stadt auf
jene Veranstaltungsreihe aufmerksam gemacht wurde, nur ein Wort ein:
dilettantisch. Dass war peinlich, ist aber nun vorbei. Nun ist Kleist
in Frankfurt sehr präsent, in Berlin und der Region dazwischen. Diese
Projekte zeigen, wie Ausstellungsmacher, Theater- und Museumsleute
Kleist interpretieren. Über all dem aber steht die Frage, warum mehr...
- Mitteldeutsche Zeitung: MZ zu Fußball-WM Halle (ots) - Die Verantwortlichen schlagen sich trotz der
Begleitgeräusche zu Recht auf die Schulter. Sie haben die beste
Frauen-WM aller Zeiten ausgerichtet und der Rand-Sportart einen
enormen Popularitätsschub verschafft. Zweifellos hat das Team um
Organisationschefin Steffi Jones einzigartig reibungsfreie Arbeit
geleistet - so wie ihre männlichen Kollegen um Franz Beckenbauer beim
begeisternden Männer-Turnier 2006. Diese WM 2011 ging perfekt über
die Bühne - Beifall. Bleibt die Frage nach dem was bleibt. Wer
Nachhaltigkeit erwartet, mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|