Mittelbayerische Zeitung: Von Norwegen lernen
Geschrieben am 27-07-2011 |
Regensburg (ots) - Was unterscheidet Norwegen und Deutschland in
den Tagen nach dem blutigen Massaker des Anders Behring Breivik?
Trauernd und entsetzt, aber auch gefasst und entschlossen, die
Freiheiten der Demokratie nicht leichtfertig über Bord zu werfen und
am Ideal einer offenen Gesellschaft fest zu halten, ist die
vorherrschende Reaktion im Land der Amokläufers selbst. Hierzulande
hingegen ist eine hektische Debatte über schärfere
Sicherheitsgesetze, Internet-Kontrollen oder ein Verbot von
rechtsextremen Parteien in Gang gekommen. So, als gäbe es ein
Patentrezept gegen ideologisch verblendete Terroristen. Und so
manchem deutschen Politiker, der jetzt forsch ins Horn bläst, stünde
etwas mehr Zurückhaltung und kühle Analyse gut zu Gesicht. So oder so
darf der schreckliche Massenmord von Oslo nicht zu billiger
politischer Stimmungsmache ausgenutzt werden, nicht in Norwegen nicht
in Deutschland, nirgends. Es wäre ein Populismus auf dem Rücken von
Getöteten, Verletzten und deren Angehörigen. Das gilt übrigens auch
für die Medien, von denen einige voreilig gängige Klischees
bedienten. Aber selbstverständlich muss auch in Deutschland über
sicherheitspolitische Konsequenzen nach dem furchtbaren Geschehen in
Norwegen nachgedacht werden. Aber dazu gehört leider auch das
Eingeständnis, dass Taten eines verbohrten Einzelgängers in freien
Gesellschaften niemals völlig ausgeschlossen werden können. So etwas
geht nicht einmal unter der totalen Kontrolle von Diktaturen. Weder
die zurzeit heiß diskutierte Vorratsdatenspeicherung, noch ein Verbot
von rechtsextremen Parteien oder eine Gefährder-Datei hätten Anders
Behring Breivik von seinen akribisch geplanten Morden abhalten
können. Gleichwohl muss sich die deutsche Gesellschaft, die Politik
besonders, Gedanken machen, wie radikalen und gewaltbereiten
Fanatikern der Boden entzogen werden kann, wie gesellschaftliche
Abwehrkräfte gegen Intoleranz gestärkt werden können. Und es braucht
eine Art gesellschaftliche Sensorik, die Extremisten, ganz gleich ob
als einzelne oder in Gruppen, anzeigt. Die Mörder des 11. September
2001 konnten sich in aller Seelenruhe in Hamburg-Harburg auf die
Flugzeugentführungen und Attacken vorbereiten. Der Massenmörder von
Oslo tauchte unter der biederen Maske eines Landwirts ab, konnte
massenhaft Sprengstoff herstellen und besaß ein ganzes Arsenal aus
teuflisch-modernen Waffen. Hat das Umfeld in beiden Fällen wirklich
rein gar nichts mitbekommen? Ein Verbot der mit der DVU fusionierten
rechtsextremen NPD, nach dem Linke, SPD und Grüne fast schon
reflexartig rufen, greift indes zu kurz. Den politischen
Rechtsauslegern schaden die Morde von Oslo eher, als dass sie ihnen
Zulauf bescheren könnten. Nur braucht es für ein erfolgversprechendes
Partei-Verbotsverfahren hieb- und stichfeste Gründe. Vor einigen
Jahren sind die Law-and-Order-Minister Otto Schily (SPD) und Günther
Beckstein (CSU) beim Versuch schmerzlich auf die Nase gefallen. Das
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat die seinerzeit vor allem
durch V-Leute innerhalb der NPD erhobenen Fakten für nicht zulässig
erklärt. Wer diesen Rechtsextremen wirklich "den Saft abdrehen", etwa
staatliche Wahlbeihilfen unterbinden will, muss besser vorbereitet
sein. Ganz anders liegen die Dinge bei der gleichfalls von Karlsruhe
gestoppten Vorratsdatenspeicherung. Dieses Möglichkeit, Spuren im
Internet oder beim Telefonieren zurück verfolgen zu können, wäre in
den Händen der Ermittler ein scharfes Schwert. Und allemal besser als
die von der FDP vorgeschlagene Möglichkeit, Telekommunikationsdaten
nur bei begründetem Verdacht "einfrieren" zu können. Der Pferdefuß
des Leutheusser-Schnarrenberger-Vorstoßes ist und bleibt, dass auf
weiter zurück liegende Verbindungen nicht zugegriffen werden kann.
Mit der Aushöhlung von Freiheitsrechten und Demokratie hat die
Speicherung elektronischer Verbindungsdaten nichts zu tun.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
344526
weitere Artikel:
- Mitteldeutsche Zeitung: zu Renteneintrittsalter Halle (ots) - Deutschlands Arbeitnehmer, so legen es die Zahlen
nahe, arbeiten inzwischen fast so lange, wie es die gesetzliche
Altersgrenze vorgibt. Die arbeitsmarktpolitischen Reformen der
letzten Jahre, die auf einen Abbau der Frühverrentung abzielten,
zeigen im Großen und Ganzen also Wirkung. Doch Vorsicht: Zur
inhaltlichen Interpretation taugen die statistischen
Durchschnittswerte kaum. Sie bieten keine neuen Erkenntnisse zur
Rente mit 67. In manchen Branchen wurde wegen der Reformen zuletzt
sicher länger gearbeitet. In anderen, mehr...
- Westdeutsche Zeitung: Den USA droht wegen eines Parteienstreits der Staatsbankrott =
Von Peter De Thier Düsseldorf (ots) - Es ist unfassbar, aber wahr: Die Zeit läuft den
Amerikanern davon, Demokraten und Republikaner sind hoffnungslos
zerstritten und die USA befinden sich unmittelbar vor der
Staatspleite. Es ist ein Spiel mit dem Feuer. Sollte die Galgenfrist
bis zum 2. August ohne eine Einigung zur Anhebung des staatlichen
Schuldenlimits verstreichen, droht nicht nur den USA ein Fiasko: Dann
werden die Weltwirtschaft und die globalen Finanzmärkte in ihren
Grundfesten erschüttert.
Es käme dann zu einem dramatischen Zinsanstieg, mehr...
- Mitteldeutsche Zeitung: zu Plagiatsvorwürfen Halle (ots) - Die Fälle sollten Anlass sein für eine längst
überfällige grundsätzliche Debatte: Unter welchen Bedingungen
entstehen Doktorarbeiten an deutschen Unis? Wie ist es möglich, eine
Dissertation nach Feierabend und mit eigenem Material zu schreiben,
das quasi nur noch einmal recycelt wird, wie im Falle Haller? Warum
werden Verstöße nicht schon beim Begutachten einer Arbeit entdeckt?
Gibt es Umstände, die Schlamperei oder vorsätzlichen Betrug
begünstigen oder gar dazu einladen? Wer abgeschrieben hat, den können
und sollen mehr...
- Ostsee-Zeitung: Ostsee-Zeitung (Rostock) zur Griechenland-Hilfe der deutschen Wirtschaft Rostock (ots) - Nein, die Griechen sind trotz aller EU-Hilfen
nicht zu beneiden. Bis 2015 wollen sie durch Steuererhöhungen,
Ausgabenkürzungen und Privatisierungen 78 Milliarden zusammenkratzen,
damit der Euro griechisch bleibt. Eine gewaltige Summe für ein so
kleines Land. Wenn wir Deutschen wie die Griechen sparen müssten,
wäre eine Summe von über 400 Milliarden fällig - so viel wie die
Bundesregierung 17 Jahre lang für Hartz IV oder 40 Jahre für
Forschung und Bildung ausgeben würde. Nun ist ein Staatswesen kein
schwäbischer Haushalt. mehr...
- Berliner Zeitung: Inlandspresse - keine Vorabmeldung
Die "Berliner Zeitung" kritisiert das Ergebnis des Griechenland-Investitionsgipfels Berlin (ots) - Dass es kein Marshall-Plan werden würde, war von
Anfang an klar. Auf mehr als eine Milliarde durften die Griechen nie
hoffen. Doch der Investitionsgipfel von Wirtschaftsminister Philipp
Rösler (FDP) und deutschen Wirtschaftsvertretern hat nun klar
gestellt: Es gibt gar kein Geld für Griechenland. Denn die
Investitionsbedingungen in dem Land seien zu schlecht. Gerne wolle
man Athen aber dabei helfen, sich wettbewerbsfähiger zu machen.
Entbürokratisierung stehe an sowie der Aufbau einer
mittelständischen Wirtschaft. mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|