Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Afrika/Dürre
Geschrieben am 31-07-2011 |
Regensburg (ots) - Eine Hungerkatastrophe unterscheidet sich von
anderen Krisen, wie etwa denen in Haiti oder Japan, in ihrer
Geschwindigkeit. Der Tod nähert sich langsam, Monate im Voraus
sichtbar. Und er kommt immer wieder. Im Abstand von etwa drei Jahren
wird Ostafrika derzeit von Dürren erschüttert und damit weit häufiger
als noch vor zwei Jahrzehnten. Das Ereignis ist also nicht neu, wohl
aber das Ausmaß: Die Zahl von 780 000 lebensgefährlich
unterer-nährten Kindern allein in Somalia ist so grausam, dass sie
der Kopf nur als abstrakte Größe verarbeiten kann. Zehntausende
sterben, und selbst die Bilder, die inzwischen endlich ihren Weg in
die Medien gefunden haben, können nur eine ungefähre Vorstellung von
der Realität vor Ort geben. Es gehört zur schrecklichen Natur dieser
Katastrophe, dass sie mit den Mitteln des 21. Jahrhunderts zu
verhindern gewesen wäre. Dabei schieben viele die Verantwortung
möglichst weit vom eigenen Einflussbereich fort. Natürlich ist der
seit über 20 Jahren anhaltende Krieg in Somalia der Hauptgrund für
das Ausmaß, der verweigerte Einlass von UN-Mitarbeitern und
Hilfsorganisationen durch die Terrororganisation al-Schabab ein
Verbrechen, das nur als Völkermord bezeichnet werden kann. Und ja,
auch von afrikanischen Regierungen veruntreute Entwicklungsgelder,
das sprunghafte Bevölkerungswachstum und der Klimawandel spielen eine
wichtige Rolle. Doch es handelt sich nun einmal um eine Vielzahl von
Ursachen, sodass all dies nicht von jenen Gründen ablenken darf, an
denen die Industrie- und Schwellenländer die größte Verantwortung
haben. Animiert von staatlichen Zuschüssen hat die Produktion von
Biokraftstoffen erheblich zur gesteigerten Nachfrage nach Getreide
beigetragen. Die Preise stiegen vor allem deshalb allein im
vergangenen Jahr zwischen 40 und 130 Prozent (je nach Region). Sogar
auf den Philippinen, wo die Menschen gegen steigende
Lebensmittelpreise protestieren, hat die Regierung gerade eine
Gesetzgebung zur Subventionierung des umstrittenen Treibstoffs
verabschiedet. Selbst die Vereinten Nationen, einst großer
Befürworter von Biokraftstoffen, warnen inzwischen vor den
Konsequenzen für die Agrarwirtschaft. Wohl zu spät: Die Weltbank
schätzt, dass 33 Länder am Rande von sozialen Unruhen wegen "des
akuten Anstiegs von Energie- und Lebensmittelpreisen" stehen. Die
Prognose könnte sich erfüllen, denn in den kommenden zwei Jahren
werden die Lebensmittelpreise nicht sinken, fürchten
Wirtschaftswissenschaftler. Eilig werden neue Gesetze zum
Exportverbot von Getreide verabschiedet, um eine Klimapolitik zu
korrigieren, die den Überblick über ihre Auswirkungen verloren hat.
Vor deren Folgen in der Dritten Welt wurde auch im Vorfeld gewarnt,
doch die Zweifler blieben unerhört. Zudem haben Länder wie China,
Saudi-Arabien und Indien in Äthiopien und Kenia, den beiden neben
Somalia am meisten betroffenen Ländern, im großen Stil Farmland
geleast - wo sie überwiegend für den eigenen Bedarf anbauen. Der
Druck muss steigen, damit derartige Entwicklungen nicht humanitäre
Katastrophen bedingen können. Entscheidend werden die Monate, nach
denen die Kameras aus den Flüchtlingslagern von Dadaab abgezogen
sind, und mit ihnen der mediale Druck auf die Industrienationen für
zusätzliche Zahlungen schwindet. Gerade dann müssen international die
notwendigen Reformen folgen. Und vor Ort muss der Agrarsektor der
betroffenen Länder im großen Stil modernisiert werden, um Kleinbauern
auf Trockenperioden vorzubereiten. Dafür bedarf es einer weltweiten
Kultur der Aufmerksamkeit jedes einzelnen für Ostafrika. Den Willen
hinzuschauen, auch wenn es wehtut. Sonst ist die nächste, vielleicht
noch größere Hungersnot, bereits in Sicht. Man muss nur hinschauen.
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