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Westdeutsche Zeitung: Bei der Altenpflege droht der Notstand = Von Wolfgang Radau

Geschrieben am 02-08-2011

Düsseldorf (ots) - Es geht um viel Geld, und deshalb schleichen
die Koalitionspolitiker um das Thema herum wie die Katze um den
heißen Brei. Die Rede ist von einer Reform der Pflegeversicherung,
die Schwarz-Gelb am liebsten in die nächste Legislaturperiode
verschieben möchte. Nur der Notstand in der Altenpflege - der wächst
unaufhaltsam.

Bereits heute, so sagt der Bundesverband der privaten sozialen
Dienste, fehlen in Deutschland 30 000 ausgebildete Altenpfleger. In
zehn Jahren werden es bereits 300 000 sein. Private Dienste betreuen
rund ein Viertel aller Pflegebedürftigen; das Geld dafür kommt, wie
auch für das Personal der Wohlfahrtsverbände und Kommunen,
überwiegend aus der Pflegeversicherung. Die aber lebt von der Hand in
den Mund, hat keinen Kapitalstock und kann eine menschenwürdige
Versorgung kaum noch und demnächst wohl gar nicht mehr finanzieren.

Nein, das Dilemma lässt sich nicht auf das Ausbleiben der Zivis
reduzieren. Altenpflege ist eine Aufgabe für Fachkräfte, ein
Knochenjob, körperlich und psychisch. Wer möchte den schon leisten,
nach drei Jahren Ausbildung für 8,50 Euro Mindestlohn?

Bereits heute sind die Zeitvorgaben im Pflegegeschäft
atemberaubend. Alles muss schnell gehen, für menschliche Zuwendung
bleibt wenig Raum. Medikamentengaben werden schon mal vergessen,
Ansprechpartner wechseln häufig. Patienten, die altersbedingt
schlecht hören, werden zuweilen in gebrochenem Deutsch angesprochen
und verstehen am Ende gar nichts mehr.

Deutsche wollen nicht in die Pflege, polnische Kräfte sind ohnehin
schon bei uns tätig - verstärkt sollen Hilfskräfte aus Serbien,
Kroatien und von den Philippinen angeworben werden. Wer meint, das
ginge ihn nichts an: Allein in NRW wird für 2050 mit einer halben
Million Einwohnern gerechnet, die über 80 sind und fremde Hilfe
benötigen. Die sind heute Anfang 40.

Die Menschen in der Altenpflege brauchen eine qualifizierte
Ausbildung, gute deutsche Sprachkenntnisse und wirtschaftlich
attraktive Zukunftsperspektiven. Das Problem darf nicht länger auf
die lange Bank geschoben werden - vom Tage, an dem akzeptable
Rahmenbedingungen geschaffen sind, vergehen drei Jahre, bis neu
ausgebildete Pflegekräfte ihren verantwortlichen Dienst am Patienten
beginnen.



Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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