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Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Die Börse bricht zusammen Führungsfrage THOMAS SEIM

Geschrieben am 05-08-2011

Bielefeld (ots) - Panik ist ein schlechter Ratgeber. Insbesondere
an den Börsen. Der einzige Effekt, den Panik dort erzielt, ist die
Vernichtung von Werten und Kapital. Oder besser: Panik führt dazu,
dass viele Menschen viel verlieren und wenige gewinnen. Geld und
Werte gehen durch Panik bei einem Crash wie gestern nicht verloren,
sie wechseln nur den Besitzer. Die Weltwirtschaft und insbesondere
die europäische Wirtschaft sind krank. Das wissen wir schon länger.
Die Verantwortung für die Panik des neuen "Schwarzen Freitags"
allerdings liegt in einer Verkettung von schwacher politischer
Führung und einem desaströsen Krisenmanagement in Europa. Man schaut
kopfschüttelnd auf den Präsidenten der EU-Kommission, José Manuel
Barroso, der mit seinem unüberlegten Brandbrief dazu beigetragen hat,
dass die sich gerade wieder erholende Wirtschaft in Europa auf ein
neues Tal zusteuert. Wir wollen hoffen, dass der Portugiese Barroso
sich nicht nur deshalb zu Wort gemeldet hat, weil er schnellere Hilfe
für sein Heimatland aktivieren wollte. Die politische Klasse in
Deutschland und Europa steht mit dieser neuerlichen Krise vor einer
neuen, in dieser Dimension nicht bekannten Herausforderung. Wäre
Mitleid eine politische Kategorie, könnte man immerhin für die
derzeit politisch Handelnden ins Feld führen, dass es kaum je zuvor
eine so dichte Folge von katastrophalen Krisenszenarien gegeben hat
wie jetzt. Aber in der Politik ist kein Platz für Mitleid. Also
bietet sich den Beobachtern nur ein desaströses Bild der derzeit
handelnden politischen Klasse in Europa. Ein Gipfeltreffen jagt das
nächste, ein Staats- oder Regierungschef nach dem anderen äußert sich
mit unterschiedlichen Lösungsansätzen, wohl wissend, dass zur
Handlungsfähigkeit Europas die Einstimmigkeit gehört. Auf dem offenen
Markt indes wird die nicht erreicht. Die Stärke früherer
Führungsfiguren in Europa war eben genau dies: Erst streiten und
ringen, aber dann gemeinsam Lösungen präsentieren, die alle gemeinsam
vertreten. Niemals wäre ein Kommissionspräsident wie Jacques Delors
auf die Idee gekommen, Absprachen mit François Mitterrand oder Helmut
Kohl so zu konterkarieren, wie Barroso dies mit Merkel und Sarkozy
tat. Es war die Stärke der Großen Koalition, dass die letzte große
Finanzkrise der Welt mit dem entschiedenen Handeln einer Kanzlerin
Merkel und eines Finanzministers Peer Steinbrück abgewendet wurde.
Zur Erinnerung: Die Abwrackprämie für Altautos und die Verlängerung
des Kurzarbeitergeldes galten damals allen angeblichen oder
tatsächlichen Weltökonomen als Tabubruch der Marktwirtschaft. Aber
beides wirkte und hat Deutschland wieder zur Lokomotive der
wirtschaftlichen Entwicklung des Kontinents werden lassen. Das
Erfolgsprinzip von Merkel und Steinbrück war: Führung. Inhaltlich.
Gegen alle Unsicherheiten und Widerstände. Das allerdings vermisst
man heute. In Europa. Und manchmal auch schon wieder in Deutschland.
Diesmal wird es teurer werden.



Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de


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