Bain-Studie zum Gesundheitsmarkt 2020, Teil 1/5: Überblick Gesamtstudie. Umbau der Gesundheitssysteme verlangt neue Strategien
Geschrieben am 23-08-2011 |
München (ots) -
- Bis 2020 verändert sich das Gesundheitswesen stärker als in den
vergangenen 50 Jahren
- Sparzwänge der Industriestaaten wirken als Katalysator des
Wandels
- Tiefgreifende Konsequenzen auf allen Ebenen des
Gesundheitssystems
Weltweit stehen die Gesundheitssysteme vor einem tiefgreifenden
Wandel. Technische Neuerungen, der medizinische Fortschritt und vor
allem finanzielle Zwänge werden bis zum Jahr 2020 zu mehr
Veränderungen im Gesundheitswesen führen als in den vergangenen 50
Jahren. Ein neuer Gesundheitsmarkt mit neuen Bedingungen entsteht.
Die aktuelle, weltweite Studie "The end of Healthcare... as we know
it?" der Unternehmensberatung Bain & Company zeigt, welche
Veränderungen zu erwarten sind und vor welchen strategischen
Herausforderungen Kliniken und Ärzte, Apotheken, Pharma- und
Medizintechnikhersteller sowie Versicherer stehen.
In den Industrieländern steigen die Gesundheitsausgaben stetig und
entwickeln sich zu einem der größten Kostenblöcke der öffentlichen
Haushalte. Diese Entwicklung wird durch den medizinischen Fortschritt
beschleunigt und der demographische Wandel treibt die Kosten weiter
nach oben. Die Bain-Studie "The end of Healthcare... as we know it?"
rechnet damit, dass strukturelle Reformen und effizienzsteigernde
Technologien in den kommenden Jahren mit Nachdruck durchgesetzt
werden.
"In den letzten Dekaden waren die Gesundheitssysteme in allen
großen Industrienationen sehr resistent gegen drastische
Veränderungen. Immer fanden sich politische, soziale oder emotionale
Argumente, die gegen sinnvolle Neustrukturierungen sprachen", sagt
Dr. Norbert Hültenschmidt, Leiter der weltweiten
Healthcare-Praxisgruppe von Bain & Company. "Doch jetzt sind die
Haushalte der Industrieländer am Ende ihrer Leistungsfähigkeit
angekommen, weltweit sind die Gesundheitssysteme die größten noch
wachsenden Budgetposten."
Vier grundlegende Marktströmungen bis 2020
Die Gesundheitssysteme des Jahres 2020 werden in allen Ländern
eine schnelle Evolution der heute bestehenden Strukturen sein. Die
Richtung, in die sie sich entwickeln, ist weltweit ähnlich. Bain &
Company hat die bestehenden Trends in Politik, Technologie und
Wissenschaft analysiert und vier zentrale Marktströmungen
identifiziert, die den Gesundheitsmarkt 2020 bestimmen werden.
Der engagierte Patient: Er steht im Mittelpunkt des
Gesundheitsmarktes 2020, denn er wird in Zukunft viel mehr aus
eigener Tasche zahlen müssen - seien es Praxis- und
Medikamentengebühren, Zuzahlungen, Zusatzversicherungen oder privat
zu tragende Behandlungskosten. Dadurch wächst die Marktmacht des
Patienten. Parallel dazu ermöglicht ihm das rasch wachsende Angebote
im Internet, sehr viel mehr über Gesundheit, Krankheiten und
Behandlungsmethoden zu erfahren. Das macht die Ausrichtung auf
spezifische Patientengruppen zu einem der zentralen kritischen
Erfolgsfaktoren für alle Anbieter im künftigen Gesundheitsmarkt, egal
ob Ärzte, Apotheken, Pharmahersteller oder Krankenversicherer.
Datenrevolution: Computerisierung und Vernetzung werden im
Gesundheitssektor eine Datenrevolution auslösen. Universell
verfügbare elektronische Patientendaten machen den Erfolg von
Behandlungen transparent und optimieren die Prozesse zwischen Haus-
und Fachärzten, Kliniken und Versicherungen. Standardisierte online
verfügbare Behandlungsleitlinien werden die Arbeit von Ärzten und
Kliniken verändern. Im Jahr 2020 bestimmen Studien, Empfehlungen,
Protokolle, Leitfäden und Erstattungsrichtlinien, welche Diagnosen,
Therapien und Medikamente verordnet werden. Der Freiheitsgrad
ärztlicher Entscheidungen wird deutlich eingeschränkt. Im
Gesundheitsmarkt 2020 verliert der Arzt als Entscheider an Bedeutung,
welche Medikamente, Behandlungsmethoden oder Geräte eingesetzt
werden. Für die Hersteller von Pharmazeutika und Medizintechnik wird
der Kosten-Nutzennachweis ihrer Produkte anhand elektronischer
Real-Life-Patientendaten zu einem entscheidenden Erfolgskriterium;
statt klinischer Studienergebnisse zählen 2020 wirklich erzielte
Behandlungsergebnisse.
Integrierte Behandlung: Weltweit versuchen Gesundheitspolitiker,
die Effizienz der Gesundheitssysteme durch Konzepte der integrierten
Behandlung zu verbessern. Ob Health Maintenance Organizations in der
Schweiz, Accountable Care Organizations in den USA oder
Gesundheitszentren in Deutschland: 2020 wird eine stärkere Vernetzung
der Praxen, Kliniken und Versicherer die Behandlungswege optimieren,
Doppeluntersuchungen vermeiden und Behandlungszentren mit stärkeren
Einkaufsvorteilen und besser ausgelasteten Einrichtungen
hervorbringen. Die Honorierung der Behandlung bemisst sich zukünftig
an Behandlungsqualität und -erfolg sowie den Einsparerfolgen.
Hausärzte und Gesundheitszentren steuern die integrierte Behandlung.
Gleichzeitig führen stärker vernetzte Organisationen zu neuen
Nachfragestrukturen und -machtverhältnissen, die von Zulieferern und
Dienstleistern rechtzeitig erkannt und bedient werden müssen.
Gesundheitsökonomische Innovation: Die starken
Kosten-Nutzenabwägungen zwingen Pharma- und Medizintechnikhersteller
zukünftig zu gesundheitsökonomischen Innovationen. Eine neue
Generation von Gut-Genug-Produkten wird zum Standard in
Medizintechnik und Pharmazie. Daneben wird es weiterhin
Spitzenprodukte geben, die jedoch mehr und mehr auf Nischen und
spezielle Patientengruppen zugeschnitten sind. Medizintechnik und
Pharmazeutik stehen vor der Aufgabe klassische
Design-to-Cost-Konzepte für den Gut-Genug-Sektor zu entwickeln und
gleichzeitig im Premiumsegment die Kosten für Forschung und
Entwicklung für den zunehmend kleinteiligen Medizinmarkt zu
reduzieren.
Umverteilungen im Gesundheitsmarkt 2020
In den Industrieländern prognostiziert die Bain-Studie einen
weiter wachsenden Gesundheitsmarkt, der nicht mehr nur vom
medizinischen Fortschritt geprägt sein wird, sondern auch von den
demographischen Veränderungen. Der hohe Kostendruck sorgt dafür, dass
die Margen praktisch aller Branchensegmente im Durchschnitt
zurückgehen. Unter Druck geraten vor allem die Pharmaumsätze in den
USA; hier erwartet Bain, dass sich das noch sehr hohe Preisniveau an
internationale Standards angleichen wird.
Für neues Wachstum sorgen die Schwellenländer. Deren
Gesundheitsausgaben befinden sich derzeit noch auf einem niedrigen
Niveau: In Indien werden 4,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für
Gesundheit ausgegeben, in China 4,7 Prozent. Die Gewinner des Jahres
2020 werden Unternehmen sein, die sich heute bereits auf den
Zukunftsmarkt vorbereiten, neue Geschäftsmodelle pilotieren und so
den Wandel aktiv mitgestalten.
"Der Gesundheitsmarkt 2020 kommt nicht über Nacht, vieles hängt
von der nationalen Politik ab", sagt Bain-Experte Hültenschmidt.
"Doch der Veränderungsdruck ist inzwischen so groß, dass der Umbau
nur eine Frage der Zeit ist."
Pressekontakt:
Leila Kunstmann-Seik
Bain & Company Germany, Inc.
Tel: +49 89 5123 1246, E-Mail: leila.kunstmann@bain.com
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